leibniz

Weitere Beiträge aus der Rubrik Eine/r von 20.000: Zuhause gibt es hier.

Wie geht es den Leibniz-Forscherinnen und -Forschern inmitten der Corona-Krise? Wie kommen sie im Homeoffice und mit dem völlig neuen Alltag klar? Wir haben sie gefragt, was sich für sie durch Corona geändert hat, welche Strategien sie für das Leben mit dem Virus entwickelt haben – und auf was sie sich für die Zeit nach der Pandemie schon jetzt wieder freuen. Dieses Mal haben wir unseren Corona-Fragebogen nach Berlin geschickt: an die Sozialforscherin Jeanette Hofmann.

Frau Hofmann, in welcher Situation treffen wir Sie an?

Ich arbeite immer noch überwiegend von zu Hause aus. Die Kantine ist noch zu, die KollegInnen größtenteils noch nicht zurück, und die Wege sind so viel kürzer.

Wie ist es Ihnen im Lockdown ergangen?

Der Lockdown fiel in meinem Fall mit einem Beinbruch zusammen. Ich musste daher ohnehin zu Hause bleiben und das Bein ruhigstellen. Ich fühlte mich in dieser Situation paradoxerweise weniger isoliert, weil nun aller beruflicher Austausch als digitaler Stream stattfand.

Was lesen Sie derzeit?

Zunächst habe ich sehr viel zu Corona gelesen, vor allem dazu, wie enorm unterschiedlich Staaten und Gesellschaften auf die Pandemie reagieren. Da ist eine lange Leseliste zusammengekommen. Als Beispiel hier ein Artikel, der die autoritäre Politik Singapurs als Resultat eines lange währenden Kampfes gegen Krankheiten vorstellt.

Derzeit wird man mit Onlineangeboten nur so überhäuft. Was ist Ihr Favorit?

Ich bin ein großer Twitterfan. Unterhaltsam finde ich derzeit room rater (@ratemyskyperoom). Das ist ein Kanal, der das Homeoffice von überwiegend amerikanischen Persönlichkeiten, vor allem PolitikerInnen und JournalistInnen bewertet. Daraus ist eine Art Wettbewerb entstanden, in dem es auch um die Anzahl von Kakteen und Ananasfrüchten im Bildausschnitt geht.

Bildschirmaufnahme eines Twitterbeitrags zu Prince Charles mit Kommentarspalte.

Macht Ihr Institut aktuell Onlineangebote, die Sie empfehlen können?

Ja, das WZB hat einen Corona-Blog aufgesetzt und widmet sich der Pandemie auch in den WZB Talks, die derzeit online stattfinden.

Haben Sie in der Corona-Krise eine neue Gewohnheit entwickelt oder eine alte aufleben lassen?

Während Corona habe ich das Kochen wiederentdeckt. Ich lese viele Rezepte und experimentiere gerne. Gestern gab es diese Frühlingssuppe mit Tofu, die ich nur empfehlen kann. Lecker ist auch Bobotie (siehe Foto), ein südafrikanisches Gericht, das es in vielen Varianten gibt. Einige davon findet man hier.

Gelber Auflauf mit Lorbeerblättern.

Wie halten Sie sich zu Hause fit?

Viele Leute besinnen sich derzeit auf Yoga-Übungen, die online angeboten werden und Verstand und Körper zugleich ansprechen. Gerade für WissenschaftlerInnen ist das eine gute Ausgleichsmaßnahme. Mein Lieblingssport war dagegen mehrere Monate nicht möglich: Schwimmen. Jetzt muss man Slots für das Freibad eine Woche im Voraus buchen. Das hat immerhin den Vorteil, dass die Becken nie überlaufen sind.

Handtuch, Badeanzug, Badekappe und Schwimmbrille

Welche Rituale haben Sie etabliert, um den neuen Alltag zu strukturieren?

Mein Alltag strukturiert sich von selbst durch einen unendlichen Fluss an Zoom- und Skype-Calls. Die Herausforderung besteht darin, hinreichend Pausen einzubauen.

Was vermissen Sie derzeit am meisten?

Das beiläufige Gespräch am Rande von Sitzungen und auf dem Flur.

Wem sind Sie momentan am nächsten?

Vor, während und wohl auch nach Corona: meinem Mann.

Jeanette Hofmann mit ihrem Mann.
Foto ARIANE ANTAL

Ein Gespräch mit Jeanette Hofmann können Sie im Podcast TONSPUR WISSEN von t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft hören. Das Thema: Corona-Apps. Hier geht es zum Podcast.

Was haben Sie sich für die Krise vorgenommen?

Weniger zu arbeiten. An manchen Tagen klappt das, insgesamt aber eher nicht. Das hat auch mit der Vielzahl von Projekten und Kommissionen zu tun, die sich untereinander ja nicht abstimmen.

Inwiefern ist die Corona-Krise Thema Ihrer Forschung?

Ich habe drei kurze Beiträge zu Corona-Tracing Apps geschrieben und verfolge das Thema aus einem Augenwinkel auch weiterhin. Die Beiträge findet man hier, hier und hier.

Wen bewundern Sie derzeit am meisten?

Die Menschen, die derzeit ihre gesamte Arbeitszeit in Schutzkleidung verbringen, also nicht nur Atemmaske, sondern auch Overalls und Handschuhe tragen.

Mit welchen Gefühlen und Erwartungen gehen Sie in die kommenden Monate?

Durch den weitreichenden Lockdown haben wir die Verbreitung des Virus so stark eingeschränkt, dass wir derzeit gewissermaßen einen zweiten Anfang erleben. Heute wissen wir mehr über die Wirksamkeit von räumlichem Abstand und dem Tragen von Masken als im März dieses Jahres. Was wir nicht wissen ist, ob diese Einsichten auch überall dort fruchten, wo sie in unser aller Interesse unmittelbar handlungsleitend sein sollten: in Schlachthöfen, Schulen, Kirchengemeinden oder auf Partys.

Was haben Sie für sich persönlich durch die Corona-Krise gelernt?

Die Maske als Geste des Respekts vor anderen und zum Schutz von unbekannten Dritten. Das klingt so angenehm, aber diese Übernahme und Aneignung einer gesellschaftlichen Perspektive verlangt uns in Zeiten der Singularisierung, wie der Soziologe Andreas Reckwitz es formuliert, doch einiges ab.

Hat die Pandemie Ihren Blick auf die Welt verändert und wie?

Corona hat mich für den Einfluss von Epidemien auf den gesellschaftlichen Strukturwandel sensibilisiert. Der Blick zurück zeigt, dass viele Infrastrukturen und Institutionen direkt oder indirekt auf die Bekämpfung von Epidemien zurückgehen; offenbar einschließlich des Reisepasses. Gleichzeitig erweist sich Corona als Labor, um die Reaktionen auf Epidemien international vergleichend zu studieren. In einem Seminar an der Freien Universität in Berlin haben wir uns vergangene Woche der Pandemie unter digitalpolitischen Gesichtspunkten gewidmet. Dazu haben wir unter anderem einen Essay über Foucaults drei Denkmodelle zu Infektionskrankheiten gelesen: Mithilfe dieser Modelle lernt man etwas über die politischen Reaktionen in Europa; aber Brasilien, Indien oder die USA lassen sich damit nicht verstehen.

JEANETTE HOFMANN

forscht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. An dem Leibniz-Institut leitet sie die Forschungsgruppe Politik der Digitalisierung. Außerdem ist sie Principal Investigator der Forschungsgruppen Demokratie und Digitalisierung und Quantifizierung und gesellschaftliche Regulierung am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft, Forschungsdirektorin des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft in Berlin und Professorin an der Freien Universität Berlin.

Vielleicht auch interessant?