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Der Lochkartenkönig blickt als einer der ersten in die Zukunft. Mit der »zweiten industriellen Revolution« werde ein Zeitalter der computergesteuerten Maschinen anbrechen, prognostiziert IBM-Präsident Thomas Watson 1955. »Unsere Maschinen befreien den menschlichen Geist, indem sie ihm langweilige Routinearbeit abnehmen.« Die kämpferische Antwort eines amerikanischen Gewerkschaftsführers folgt unmittelbar: »Aber diese Maschinen befreien auch Millionen gelernter Arbeitskräfte von ihren Arbeitsplätzen.«

Seit Jahrhunderten tüftelt der Mensch an Apparaturen und Gerätschaften, die ihm die Arbeit erleichtern sollen, an Windrädern, Dampfmaschinen, Robotern, Computern. Seine Mühen werden von zähem Ringen begleitet: Die Hoffnung, die Arbeitswelt humaner zu gestalten, indem Maschinen monotone, anstrengende oder gefährliche Tätigkeiten übernehmen, trifft auf die Sorge, überflüssig zu werden. »Arbeit dient nicht nur dem Lebensunterhalt, sie stiftet auch Identität«, sagt Elke Seefried, stellvertretende Direktorin des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ). »Sie gibt Orientierung, man kann sich in ihr verwirklichen. Es ist also nicht verwunderlich, dass ihr Wandel die Menschen beschäftigt.«

Ab Mitte der 1950er Jahre drängen die Maschinen mit Nachdruck in die Arbeitswelt. In den USA setzen etwa Versicherungen auf Großrechner, um ihre Registraturen zu verwalten; eines der raumhohen Ungetüme ersetzt 200 Angestellte. »Die 1960er Jahre sind geradezu ein Jahrzehnt der Technik«, sagt Seefried, die am IfZ die Geschichte der Zukunftsforschung untersucht. Ein reger Diskurs entspinnt sich: Wie wird die Technik die Zukunft verändern? Und wie können wir uns darauf vorbereiten?

Ein Bergmann bedient eine riesige Maschine.
Zeche Haus Aden, Bergkamen, 1984
Verwundeter Patient auf einer Krankenhausliege, der von Geräten versorgt wird.
Klinikum Großhadern, München, 1986
Blick durch mehrere Fenster in ein Labor.
Siemens AG, München, 1989
Kompliziert aussehende Maschine für den Autobau.
Porsche AG, Zuffenhausen, 1992

Wer muss sich anpassen — Mensch oder Maschine?

Anfangs betrachten sogar die Gewerkschaften die Industrieroboter eher wohlwollend. Das Hoffen auf weniger beschwerliche Arbeit und mehr Freizeit ist größer als die Furcht vor der nächsten Rationalisierungswelle. Nur langsam erheben sich auch kritische Stimmen. Eine gehört dem Wissenschaftsjournalisten Robert Jungk, der fragt, wie »der Mensch in der ihn bedrängenden Welt der Maschinen noch Mensch bleiben« könne.

In den 1970er Jahren kippt der Automatisierungsdiskurs dann massiv. Vor dem Hintergrund der Öl- und Wirtschaftskrisen und der hohen Arbeitslosenzahlen versuchen etwa die Drucker, Schutzbestimmungen für Fachkräfte durchzusetzen. Ihre Sorge, ersetzt zu werden, begegnet der Sorge, im internationalen Wettbewerb zurückzufallen. Der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff warnt, man müsse den Kräften des Marktes freien Lauf lassen, dürfe sich den Computern nicht in den Weg stellen. Der Fortschritt sei ohnehin nicht aufzuhalten.

Dieses Denken spiegelt sich auch im Konzept der »Wissensgesellschaft«, die in den 1980er und 1990er Jahren ausgerufen wird. Es geht um das Büro der Zukunft, um Computerisierung und Digitalisierung. Und darum, dass der Mensch lebenslang lernen müsse, um stets auf dem neuesten Stand zu bleiben. »Diesen Punkt kann man natürlich auch kritisch sehen«, sagt Elke Seefried. »Inwiefern sollten wir uns an technische Neuerungen anpassen — und nicht umgekehrt?«

Man habe erst spät begonnen, darüber nachzudenken, wie man Roboter oder Computerprogramme menschenfreundlich gestalten könne, sagt auch Magali Kreutzfeldt. Die Psychologin vom Dortmunder Leibniz-Institut für Arbeitsforschung (IfADo) untersucht die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine am Beispiel der Logistikbranche. Vergleichsweise einfache Technologien wie Headsets und Datenbrillen ersetzen zunehmend die Papierlisten, mit denen die Kommissionierer früher durch die Lagerhäuser liefen, um Waren einzusammeln. »Wir wollen herausfinden, ob sie ihnen helfen oder eine Belastung sind.«

Im schlechtesten Fall versinken die Mitarbeiter in einer Flut ungeordneter Informationen. Erschöpfung und Arbeitsunfälle können die Folge sein, hinzu kommt die psychische Belastung, durch die Geräte getrackt zu werden. Im Idealfall aber liefern sie Daten typgerecht und zeitgenau. Die Technik funktioniert, ist sicher. Sie erleichtert den Arbeitsalltag.

Noch seien viele Menschen in Lagerhäusern, Fabriken und Bürogebäuden unterwegs, die von neuen Technologien profitieren könnten, sagt Kreutzfeldt. »Ich glaube auch nicht, dass sie überflüssig werden. Der Mensch meistert genügend Tätigkeiten besser, weil er flexibler auf Veränderungen reagiert — und oft günstiger zu haben ist als technische Systeme.« Die Herausforderung sei es, den richtigen Umgang mit dem Wandel zu finden, die Maschinen so zu bauen, dass sie die Arbeit leichter machen. »Sie sind da und werden nicht verschwinden, auch wenn man sie manchmal verteufelt.«

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