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BETTINA HANNOVER
war Nele Kampas Mentorin. Die Psychologin und Geschlechterforscherin ist Professorin an der Freien Universität Berlin.

 

NELE KAMPA
ist Erziehungswissenschaftlerin am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel.

LEIBNIZ Frau Hannover, Sie haben wie die meisten Professorinnen und Professoren einen vollen Arbeitstag. Haben Sie  gezögert, als Frau Kampa Sie fragte, ob Sie ihre Mentorin sein wollen?

BETTINA HANNOVER Nein. Ich habe noch weitere Mentees und habe fast 70 Leute promoviert. Ich empfinde es in meinem Beruf als belohnend, dass man junge Leute in einer Phase begleiten kann, die oft besonders identitätsrelevant ist. Ich weiß noch, wie es bei mir war. Das ist eine Zeit, in der man eigentlich zum ersten Mal sagt: »Jetzt bin ich wirklich allein verantwortlich. Ich suche mir mein Thema und ich finde meinen Weg.«

Hatten Sie selbst einen Mentor oder eine Mentorin?

HANNOVER Ich hatte zwar einen freundlichen Chef, der mir freien Lauf gelassen hat. Aber es gab relativ wenig Führung. Und wir hatten damals auch keine Peer-Netzwerke, also Workshops für Doktorandinnen oder Doktoranden, mit denen Netzwerke zu anderen aufgebaut und strukturell unterstützt werden. Ich habe mir alles alleine beigebracht.

NELE KAMPA Früher dachte man vielleicht: »Entweder man hat's oder man hat's nicht.« Aber das stimmt ja nicht. Alles, was man mit Führungskompetenz in Verbindung bringt, ist erlernbar.

HANNOVER Andererseits sind im Vergleich zu früher die Konkurrenz und die Ansprüche an das spätere Produkt gewachsen. Früher hat man eine Dissertation eher als Meisterstück angesehen: Erst danach war man Teil der scientific community. Heute müssen sich schon die Doktorarbeiten mit den Besten der jeweiligen Disziplin messen.

KAMPA Und auf die Publikationen allein kommt es nicht an. Wenn ich mich später auf eine Professur bewerbe, werde ich mit 60 anderen um die Stelle konkurrieren. Wahrscheinlich werden weniger als die Hälfte derjenigen, die sich bewerben, Frauen sein. Auch dafür sensibilisiert das Mentoring. Für mich kam das Programm genau zur richtigen Zeit, um meinen Weg zur Professur zu strukturieren und strategischer vorzugehen. Ich bin sonst eher jemand, der einfach loslegt und erst danach anfängt zu planen.

Man lernt die Sorgen junger Wissenschaftlerinnen kennen.

BETTINA HANNOVER

Bettina Hannover im lockeren Gespräch.

Das Leibniz-Mentoring hat ganz explizit das Ziel, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Ist das ein aussichtsreicher Ansatz?

HANNOVER Es hilft auf jeden Fall. Wir wissen aus der Psychologie, dass das Gefühl »Ich gehöre dazu. Man will, dass ich dazu gehöre.« ganz entscheidend dafür ist, ob man dranbleibt, wenn man auf einem steinigen Weg unterwegs ist.

KAMPA Andere Mentees haben mir erzählt, dass sie gar nicht wollen, dass am Institut jemand von ihrer Teilnahme am Programm erfährt. Weil es dann heißt: »Du machst da so die Frauensachen.« Das Mentoring allein gibt mir also kein besseres Standing. Aber aus der Beziehung kann ja etwas entstehen, zum Beispiel gemeinsame Publikationen.

Und was wollten Sie durch das Mentoring erreichen?

KAMPA Ich habe mir explizit Ziele für das Jahr gesetzt. Ich besitze ein internationales Netzwerk, habe aber noch nicht so viel daraus gemacht. Dann hatte ich Reibereien bei der Arbeit, die durchaus mit Führungskompetenz und Teamfähigkeit zu tun hatten, zu denen ich mir aber im Institut schwer Rat holen konnte. Daran habe ich mich in diesem Jahr sehr abgearbeitet. Außerdem habe ich mich auf mein Statusgespräch nach zwei Jahren in meiner gegenwärtigen Position vorbereitet.

Wie hilft ein Mentor oder eine Mentorin dabei konkret?

HANNOVER Ich sehe mich als Beraterin. Das heißt, ich gebe keine Tipps oder Empfehlungen, sondern unterstütze meine Mentees, die eigenen Ziele zu ordnen und sich selbst die richtigen Fragen zu stellen. In späteren Gesprächen geht es darum herauszufinden, wo man auf dem Weg zum Ziel gelandet ist. Mentoring ist im Prinzip eine Unterstützung des selbstregulierten Arbeitens und Lernens.

Entsteht dabei auch Freundschaft?

HANNOVER Freundschaft würde ich es nicht nennen. Es ist sicher eine besondere Beziehung und auch eine, die von einem sehr positiven Gefühl getragen wird. Aber es bleibt immer eine professionelle Beziehung. Eine gute Unterstützung wird gerade dadurch möglich, dass man selbst entscheiden kann: »Wie will ich mich präsentieren? Welche Dinge will ich ansprechen? Welche möchte ich nicht mit dieser Person besprechen?«

Ich habe meist etwas mitgenommen, das ich sofort umsetzen konnte.

NELE KAMPA

Porträt von Nele Kampa.

Das Programm schreibt regelmäßige Treffen zwischen Mentee und Mentorin oder Mentor vor, dazu die Teilnahme an den Workshops. Das klingt anstrengend neben den täglichen Aufgaben im Job.

KAMPA Anstrengend ja, aber genau deswegen ist es gut. Wann hat man schon die Chance, sich zwei Tage komplett rauszuziehen und sein Netzwerk zu visualisieren? Oder sich intensiv mit der eigenen Führungskompetenz zu beschäftigen? Wir haben konkrete Situationen besprochen und dann ausprobiert, ob wir sie anders angehen können, etwa wenn es darum geht, Unstimmigkeiten mit Kolleginnen und Kollegen zu klären. Ich habe das nicht als zusätzlichen Stressfaktor wahrgenommen, weil ich meistens etwas mitgenommen habe, das ich sofort umsetzen konnte.

Was ist wichtig, damit das Mentoring erfolgreich verläuft?

KAMPA Eine gewisse Ernsthaftigkeit in der Vorbereitung. Man sollte zeigen, dass man wirklich etwas aus der Beziehung mitnehmen will. Und dann etwas, was ich grundsätzlich mache: immer mit allem ankommen, alles fragen.

HANNOVER Wichtig ist natürlich auch die Wahl des Mentors oder der Mentorin. Sie sollte geleitet sein durch eine gemeinsame Leidenschaft für die Themen, die einen interessieren und durch die Vorstellung, dass sich eine vertrauensvolle Beziehung entwickeln könnte. Man muss Mut haben, genau den Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin anzusprechen, die man wirklich meint. Um nicht aus Angst vor einer Zurückweisung in die zweite Liga auszuweichen.

KAMPA Eine Teilnehmerin in unserem Jahrgang hat eine Nobelpreisträgerin gefragt. Und es hieß sofort: »Ja, klar! Wann kommst du das erste Mal vorbei?«

HANNOVER Ich denke, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen sich geschmeichelt fühlen, wenn sie gefragt werden.

Können etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch etwas aus dem Mentoring mitnehmen?

HANNOVER Man lernt die Sorgen und Nöte junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kennen. Meistens haben wir ja nur schriftlich Kontakt oder weil man bei einem Vortrag zuhört. Aber wie junge Leute darüber diskutieren, was sie tun sollten, um eine Professur zu bekommen und was auf keinen Fall — das bekommt man normalerweise nicht mit.

LEIBNIZ-MENTORING

Herausragende Forscherinnen zu gewinnen und zu halten, ist für die Leibniz-Gemeinschaft wichtiger Bestandteil ihrer Strategie zur nachhaltigen Sicherung wissenschaftlicher Exzellenz. Das Leibniz-Mentoring fördert die besten wissenschaftlichen Talente und begleitet sie auf ihrem weiteren Karriereweg. Das vielseitige Programm bietet exzellenten promovierten Forscherinnen auf ihrem Weg in eine Führungsposition oder Professur die beste Unterstützung. Es versetzt die Wissenschaftlerinnen in die Lage, ihre Karriere zielgerichtet zu steuern, fachspezifische Netzwerke auszubauen und Leitungsaufgaben selbstbewusst zu übernehmen. Die Mentees profitieren nicht nur von der strukturierten und begleiteten Mentoring-Partnerschaft, sondern auch vom begleitenden Seminarprogramm und einer professionellen Prozessbegleitung, die die Umsetzung in den Alltag sicherstellen. Durch spezielle Seminare nur für Mentorinnen und Mentoren bietet die Leibniz-Gemeinschaft diesen die Gelegenheit, die eigenen Führungskompetenzen weiter auszubauen.

Und welche Sorgen treiben junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zurzeit um?

HANNOVER Viele stehen wegen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes total unter Druck. Frau Bulmahn hat mit dem Gesetz ursprünglich gute Absichten verfolgt, aber mit diesem Damoklesschwert der zeitlichen Begrenzung von Arbeitsverträgen wurde das Gegenteil erreicht.

KAMPA Mein Karriereziel ist eine Professur, am besten in der empirischen Bildungsforschung. Allerdings ist der Zeitraum, in dem ich für eine Professur qualifiziert sein werde und in der mir das Gesetz noch Zeit lässt, mich zu bewerben, extrem kurz. Ein Postdoc-Vertrag läuft im Moment zwangsläufig auf eine Professur zu. Aber Professuren gibt es dann nur für zehn bis 20 Prozent der einschlägig qualifizierten Personen.

HANNOVER Es kann nicht sein, dass so viele junge Leute zehn Jahre oder mehr mit all ihrer Energie in diese Karriere investieren und dann vor dem Aus stehen. Obwohl sie es eigentlich verdient hätten, in diesem Geschäft weiterzukommen.

Blockiert Sie diese Situation manchmal?

KAMPA Mich glücklicherweise gar nicht. Mir wurde mal gesagt, ich soll mich für diese Gelassenheit bei meinen Eltern bedanken. Ich komme aus relativ armen Verhältnissen und für mich ist der Weg, den ich bis zu der Stelle gegangen bin, an der ich jetzt bin, schon ein beeindruckender. Ich kann mir vorstellen, dass jemand mit einem anderen familiären Hintergrund mehr Druck spürt. Ich mache einfach den Job, den ich machen möchte.

HANNOVER Viele andere junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen zurzeit lieber auf Nummer sicher und verfolgen Themen, die mit großer Wahrscheinlichkeit publiziert werden. Sie sind so stark unter Druck, dass sie nur noch strategisch denken und in ihrer wissenschaftlichen Kreativität eingeschränkt werden. Wir müssen definitiv darüber nachdenken, wie wir die Strukturen anders gestalten können.

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