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Im Epilog verkehren wir den Schwerpunkt »Meere« in sein Gegenteil. Weitere Epiloge finden Sie hier.

Die Sahara ist eine sehr junge Wüste, in ihrer heutigen Form existiert sie lediglich seit ein paar tausend Jahren. Noch vor etwa 10.000 Jahren war sie eine grüne, fruchtbare Savanne. Und davor wiederum war die Sahara sogar noch größer als heute. Die Tierwelt der Wüste spiegelt diese Klimageschichte wider. Wie genau, das wollten wir 2000 während einer dreimonatigen Expedition herausfinden. Entlang einer imaginären Linie fuhren wir von Marokko bis in den Senegal. In den Pausen erfassten wir die Reptilien.

Was wir dort mitten in der Wüste finden würden, hätten wir allerdings nie geahnt: Krokodile. Alle glaubten, sie seien in Mauretanien längst ausgestorben. Als wir Gerüchte hörten, dass eine Entwicklungshelferin einige Tiere gesichtet habe, waren wir wie elektrisiert. Sie führte uns an die Stelle und wir dachten, dass sie nicht mehr alle beisammen hat: ein verbranntes Felsplateau, völlig vegetationsfrei, sengend heiß. Hier konnte kein Krokodil leben! Doch dann sahen wir einen Riss in der Felsplatte und unten, in fünf Metern Tiefe, klares Wasser. Wir sind den Riss entlanggewandert, bis sich eine kleine Schlucht auftat.

Am Grund des Canyons lag ein zwei Meter großes Krokodil mit einem Jungtier, unter den Felsen dehnte sich ein unterirdischer See aus. Man weiß, dass sich unter der Sahara fossiles Wasser gesammelt hat, Zeugnis der Regenfälle vor Jahrtausenden. Überall, wo es zu Tage tritt, entsteht Vegetation. Plötzlich sitzen da Frösche in der Wüste. Und in diesem Fall Krokodile. Ihre Vorfahren hatten sich hierher geflüchtet, als die Sahara austrocknete, und sind geblieben, abgeschnitten von ihren üblichen Lebensräumen.

Einer unserer Studenten hat später herausgefunden, dass die Krokodile sogar Höhlen graben, in denen sie die heißeste Zeit in einer Art Trockenschlaf überleben. Die Wüstenkrokodile sind viel kleiner als ihre Verwandten, die fünf bis sechs Meter lang werden können. Bei suboptimalen Lebensbedingungen ist es ein Vorteil, klein zu sein, weil man dann weniger Ressourcen verbraucht. Satellitenfotos zeigen übrigens, dass der südliche Rand der Sahara wieder feucht und grün wird. Das könnte mit dem Anstieg des Meeresspiegels zusammenhängen. Wenn es so weitergeht, könnten die Wüstenkrokodile also die Gewinner der Klimaveränderung sein.

WOLFGANG BÖHME forscht am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn seit 1971 zu Amphibien und Reptilien, vor allem zu Echsen. Inzwischen ehrenamtlich.

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