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Mehr Mut zum Nein.

Was passiert, wenn Sie einem Wissenschaftler oder einer Wissenschaftlerin eine Frage stellen, einfach und ergebnisoffen, vielleicht sogar mit Ja oder Nein zu beantworten? Er oder sie wird anfangen, gewissenhaft zunächst das Problem und dann gleich die Lösung zu suchen. Eine einfache Antwort auf eine einfache Frage ist selten. Es wird nachgedacht, gerechnet, geschätzt, abgewogen, nach Fallstricken und Tricks in Form und Formulierung gesucht. Hintergründe werden recherchiert, die Augen zusammengekniffen und scharf nachgedacht. Sie bekommen, fraglos, eine Antwort. Aber ob diese Ihrem vielleicht eher simplen Antwortinteresse entspricht und wann Sie sie bekommen, darauf erwarten Sie jetzt bitte von mir keine konkrete Antwort…

Dann gibt es jene Fragen, die Wissenschaftler mit Ja beantworten. Damit sagen sie zu: die Teilnahme an Konferenzen, an Projekten, an Begutachtungen, an Podiumsdiskussionen, an Konsultationen, an Delegationsreisen und so weiter. Oder sie bestätigen: Termine, Rahmen- und Förderbedingungen, Anfragen, Zitate.

Das Verantwortungsgefühl in der Wissenschaft ist groß. Das ist der eine Grund für das weit häufigere Ja, ein Grund, der sozusagen Teil der wissenschaftlichen Sozialisation ist und häufig korreliert mit der international eigentlich beispiellosen Förderung von Wissenschaft und Forschung mit öffentlichen Mitteln in Deutschland. Daraus leitet sich — zu Recht! — die Verpflichtung ab, achtsam zu handeln und ansprechbar zu sein. Der andere Grund ist die vielzitierte »Währung der Wissenschaft«, also die Reputation, die sich aus der Güte wissenschaftlicher Arbeit und Erkenntnis, aus Publikation und Zitation speist, aber eben auch aus steter Mitwirkung und Präsenz.

Da bleibt die Möglichkeit eines räsonablen Neins manches Mal auf der Strecke. Räsonabel, weil auch der umtriebigste Wissenschaftler die Mitwirkung im x-ten Gremium nicht im Sinne der Sache leisten kann. Räsonabel, weil die Förderbedingungen nicht immer im Sinne des Forschungsprojektes sein mögen. Räsonabel, weil Anfragen inhaltlich nicht exakt der eigenen Expertise entsprechen und andere besser geeignet wären für ihre Erledigung.

Mehr Mut zum Nein, etwa zum Nein zur bloßen Opportunität! Das wünsche ich mir manchmal. Und es ist, wie immer, nur so ein Vorschlag: hier und da ein Nein in der Wissenschaft.

MATTHIAS KLEINER

Porträt von Matthias Kleiner.

ist seit 2014 Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Zuvor war er von 2007 bis 2012 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Von 1976 bis 1982 studierte Matthias Kleiner Maschinenbau an der Universität Dortmund, wo er 1987 promoviert wurde und 1991 auch die Habilitation im Fach Umformtechnik erlangte.

Weitere Folgen seiner Kolumne Nur so ein Vorschlag ... finden Sie hier.

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