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Wenn das Wetter es zulässt, wähle ich den Wasserweg

Ich bin Geologe und arbeite am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde zu meeresgeologischen Themen. Mein Forschungsmaterial sind in der Regel Bohrkerne, die wir während mehrwöchiger Expeditionen mit Forschungsschiffen vom Boden der Ostsee oder auch anderer Meere und Ozeane bergen. Mit Hilfe dieser Sedimentarchive rekonstruieren wir im Labor die Entwicklung des Klimas und der marinen Umweltbedingungen, die zum Zeitpunkt der Ablagerung der Sedimente vorgeherrscht haben. Wir tun das in schönster Lage: Lediglich die Strandpromenade und der extra breite Warnemünder Strand trennen das Institut von der Ostsee. Vor allem in den Sommermonaten kann man den von weither angereisten Touristen mit dem Satz das ist mein Zuhause und Arbeitsplatz sehnsüchtiges Staunen entlocken. Ich blicke aus meinem Büro Richtung Kurpark – also nicht zum Strand – und freue mich immer über das satte Grün. Aber mit jedem Gang durch die Flure des Instituts und auch bei offener Tür direkt durch die Bullaugen des gegenüberliegenden Labors kann ich das bei Wind und Wetter ständig wechselnde Ostseeschauspiel bestaunen.

Mein Lieblingsort an der Küste liegt etwa sieben Kilometer westlich von Warnemünde, da, wo der Sandstrand durch Steilküste und Geröllstrand abgelöst wird. Etwa 100 Meter vom Strand entfernt ragt ein riesiger, mit Algen überwucherter Findling bis fast an die Wasseroberfläche auf. Zu jeder Jahreszeit statte ich ihm einen Besuch ab. Ich umrunde ihn ein, zwei Mal mit dem Stand-Up Paddle und bin jedes Mal aufs Neue von ihm fasziniert: wie seine Umrisse mit wechselnden Lichtverhältnissen in der Tiefe verschwimmen, wie der Bewuchs sich mit den Jahreszeiten verändert, wie die Wellen drüber hinwegfegen. Ich wohne acht Kilometer von Warnemünde entfernt und kann einen großen Teil meines täglichen Weges zur Arbeit mit dem Fahrrad direkt entlang der Küste zurücklegen. Wenn das Wetter es zulässt, wähle ich den Wasserweg: mit dem Fahrrad zur Küste, das SUP auf dem Rücken, am Strand aufpumpen und dann sechs Kilometer zum Institut paddeln. Das knapp vier Meter lange Brett parke ich im Innenhof des Instituts, und am Nachmittag geht’s dann den gleichen Weg zurück nach Hause. Schöner und erfüllender kann man einen Arbeitstag kaum einrahmen.

HELGE ARZ leitet die Sektion Marine Geologie am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde.

Die Nähe zum Wasser gibt mir ein Gefühl der Verbundenheit mit der Welt

Wir haben noch weitere Leibniz-Forscherinnen und -Forscher zu ihrem Arbeits- und Lebensgefühl am Wasser befragt. Hier geht es zu
Folge 1.

Ich erforsche den Gebrauch historischer See- und Meereskarten. Wie haben sich Seefahrer und Geographen im 19. und frühen 20. Jahrhundert mithilfe von Karten auf dem Meer und an seinen Küsten orientiert? Mich fasziniert der Mentalitätswandel, den man aus diesen alten Navigations- und Wissenschaftskarten herauslesen kann. Sie zeigen, wie sich das Meer im Bewusstsein vieler Zeitgenossen von einem bedrohlichen, lebensfeindlichen Gebiet zu einem Revier wandelte, das man zunehmend gerne und freiwillig befuhr. Mein Arbeitgeber, das Deutsche Schifffahrtsmuseum, liegt direkt am Weserdeich. Von den Büros im Museum schweift der Blick auf die Schiffe, die von der Nordsee kommen oder dorthin fahren. Und ganz unmittelbar auf den Alten Hafen mit seinen historischen Schiffen, die echtes maritimes Feeling aufkommen lassen. Unsere Außenstelle liegt ebenfalls fast direkt am Wasser: Der frühere Fischereihafen, noch vor 100 Jahren Heimat dutzender Fischdampfer, ist heute als Schaufenster Fischereihafen der ideale Ort für eine Mittagspause unter freiem Himmel.

Noch lieber als am Wasser bin ich aber auf dem Wasser! Das Deutsche Schifffahrtsmuseum bereedert mit der Nordischen Jagt „GRÖNLAND“ das bis heute erhaltene Schiff der Ersten Deutschen Nordpolar-Expedition von 1868: einen kleinen, einmastigen Segler, auf dem – mit Zugeständnissen an heutige Sicherheitsauflagen – traditionelle Seemannschaft geübt werden kann. So oft wie möglich und bei (fast) jedem Wetter fahren wir Törns, im Kollegenkreis und mit Gästen, und nicht selten ist Helgoland dabei unser Ziel. Die Nähe zum Wasser – konkreter: zum Meer und zur Nordsee – vermittelt mir ein Gefühl der Verbundenheit mit der Welt. Sie schärft die Sinne für Dinge, die jenseits des Horizonts liegen. Nicht nur für meine Forschung mit Karten, auf denen Ozeane aller Welt dargestellt werden, ist diese Lage eine sehr günstige, ja glückliche Voraussetzung.

FREDERIC THEIS ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Schifffahrtsmuseum – Leibniz-Institut für Maritime Geschichte.

Wasser ist für mich Heimat

Der Hamburger Hafen war und ist ein Einfallstor für tropische Krankheiten. Es ist daher kein Zufall, dass das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin 1900 genau an dieser Stelle an der Elbe gegründet wurde. Meine Forschung selbst hat nicht unmittelbar mit Wasser zu tun. Jedoch ist das Virus, mit dem ich mich beschäftige, nach einem Fluss im Kongo benannt – Ebola. Tatsächlich hieß es nach der Entdeckung 1976 kurzzeitig Yambuku-Virus, nach dem Ort, an dem die Erkrankung erstmalig auftrat. Aber um die Einwohner nicht zu stigmatisieren, wurde die Krankheit dann doch nach dem nahegelegenen Fluss benannt. Auch der Name der Virusvariante Makona, die den Ausbruch 2014 in Guinea verursachte, ist auf einen Fluss zurückzuführen. Wenn man es so betrachtet, hat meine Arbeit also doch immer wieder mit Wasser zu tun.

Unser Institut liegt auf einer Anhöhe über dem Hafen. Aus meinem Büro im dritten Stock sehe ich direkt auf die Elbe und die vorbeifahrenden Schiffe. Ein sehr entspannender Ausblick – vor allem, wenn ich an Forschungsanträgen sitze, die sehr kräftezehrend sein können. Dann gehe ich auf meinen Balkon, schaue dem Treiben im Hafen zu und atme kurz durch. Wenn Gäste aus der Wissenschaft zu Besuch kommen, spaziere ich gern mit ihnen den kleinen Weg zum Hotel Hafen Hamburg. Dort gibt es eine große Terrasse, auf der man mit einem wunderschönen Blick auf den Fluss und die Elbphilharmonie etwas schicker essen kann. Mit meiner Familie gehe ich lieber direkt ans Wasser, nach Blankenese zum Beispiel. Geboren bin ich übrigens in der spanischen Hafenstadt Ferrol und aufgewachsen mit dem Blick auf den Atlantik. Ich denke, dass ich die Nähe zum Wasser daher sofort mit Heimat assoziiere und mich am Wasser einfach wohlfühle.

César Muñoz-Fontela leitet die Arbeitsgruppe Virusimmunologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.

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