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Die Frage, ob es außer auf der Erde noch anderswo Leben im All gibt, treibt die Menschheit schon lange um. Nicht umsonst gibt es ungezählte Geschichten und Filme über Aliens und Ufos. Als die NASA 1977 die beiden Voyager-Raumsonden auf ihre unendliche Reise ins All schickte, verstaute sie an Bord Datenplatten mit eingravierten Hinweisen auf den Standort der Erde und mit Tonaufnahmen von Menschen und Tieren – in der Hoffnung, dass dereinst Außerirdische Kontakt zu uns aufnehmen.

Bis heute aber ist die Menschheit im Unklaren darüber, ob sie einzigartig ist. Viele Forscherinnen und Forscher versuchen Indizien für Lebensformen außerhalb unseres Sonnensystems zu finden. Als Grundvoraussetzung gilt ihnen die Anwesenheit von Wasser: Wasser ist ein schützendes Medium, das die schädliche kosmische Strahlung dämpft. Nicht umsonst begann die Entstehung des irdischen Lebens im Meer. Für die Biologie ist Wasser essenziell, weil es für eine Vielzahl biochemischer Stoffwechselvorgänge benötigt wird. Und nicht zuletzt bestehen der Mensch und andere Tierarten zu etwa 70 Prozent aus Wasser.

Die Suche nach extraterrestrischen Wesen erhielt 1995 einen Schub. Damals wiesen Astronomen von der Universität Genf zweifelsfrei nach, dass es außerhalb unseres Sonnensystems Planeten gibt – sogenannte Exoplaneten. Sonnen sind zu heiß, als dass sich auf ihnen Leben entwickeln könnte, Asteroiden zu eisig. Auf anderen Planeten und ihren Monden aber könnten so moderate Bedingungen wie auf der Erde herrschen – und sowohl Wasser als auch Außerirdische zu finden sein.

Portrait von Ekaterina Ilin
Foto AIP

Kann auf einem Exoplaneten eine Evolution des Lebens stattfinden?

EKATERINA ILIN

Ekaterina Ilin und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) untersuchen Exoplaneten daraufhin, ob dort Bedingungen herrschen, unter denen Wasser in flüssiger Form existieren kann. Bis heute haben Forscherinnen und Forscher weltweit rund 4.500 Exoplaneten entdeckt. Und ständig kommen neue hinzu. Viele dieser Himmelskörper sind auch Gegenstand von Ekaterina Ilins Forschung. Sie ist Astrophysikerin und promoviert seit Ende 2018 in der Abteilung »Sternphysik und Exoplaneten« bei Katja Poppenhäger. Vor allem versucht sie, den »Sweet-Spot« zu finden, die Idealposition eines Planeten, bei der flüssiges Wasser für längere Zeit auf dem Himmelskörper erhalten bleibt.

Befindet sich ein Planet zu nah an einem Stern, verdampft sämtliches Wasser. Zudem entreißt die Strahlung des Sterns, die aus energiereichen Teilchen besteht, dem Planeten nach und nach seine Gashülle, also seine Atmosphäre – bis dieser schließlich nackt und bloß durch das All kreist. Ist ein Planet hingegen zu weit von seinem Stern entfernt, wird er tiefgefroren. In beiden Fällen kann sich sehr wahrscheinlich kein Leben mehr entwickeln.

Wir möchten nicht nur herausfinden, ob es auf einem Exoplaneten Wasser gibt, sondern auch, ob das Wasser dort lange genug verweilt, sodass eine Evolution des Lebens stattfinden kann, sagt Ekaterina Ilin. Sie erforscht insbesondere Sterneruptionen, mächtige Ausbrüche heißen Plasmas, die sogenannten Flares, die gigantische Schauer von energiereichen Teilchen in den Kosmos blasen. Oftmals reißen diese Flares Teile von Planetenatmosphären fort. Und auch sonst erzeugen Sterne permanent einen Wind aus Teilchen, der der Atmosphäre eng benachbarter Planeten zusetzt. Die Frage, wie aktiv ein Stern ist, ist für mich also besonders wichtig. Wie lange das Wasser einem Himmelskörper erhalten bleibt, hänge letztlich von vielen Faktoren ab – seiner Größe, seiner Masse, der Form des Orbits und anderen Parametern.

Exoplaneten sind so weit entfernt, dass man sie mit bloßem Auge gar nicht entdecken könnte.

Die Herausforderung besteht darin, dass man die vielen Millionen Lichtjahre entfernten Exoplaneten nicht direkt mit einem optischen Teleskop beobachten kann wie die Planeten in unserem Sonnensystem. Ekaterina Ilin und ihre Kollegen müssen vielmehr wie bei einem Kriminalfall aus Indizien das tatsächliche Bild zusammensetzen. Zur Hilfe kommt ihnen dabei das Licht der fernen Sterne.

Eines der wichtigsten Spurenlese-Verfahren ist die Transmissionsspektroskopie. Diese nutzt den Effekt aus, dass sich die Strahlung eines fernen Sterns minimal verändert, wenn sich einer seiner Planeten auf seiner Umlaufbahn zwischen den Stern und den Beobachter auf der Erde schiebt. Das Sternenlicht fällt dann durch die Atmosphäre des Planeten. Und da diese verschiedene gasförmige Elemente enthält, die einen Teil der Sonnenstrahlung absorbieren, verändert sich die Wellenlängen-Mischung des Sternenlichts, wenn dieses die Atmosphäre passiert und schließlich weiter zu uns in Richtung Erde saust. Gasförmiges Kalzium und Natrium aber auch Wasserdampf hinterlassen auf diese Weise im Wellenlängenspektrum des Sternenlichts charakteristische Linien. Aus letzteren können die Potsdamer dann schließen, ob es auf einem Planeten Wasser gibt.

Wir können sogar messen, ob und wie stark die Atmosphäre eines Planeten verloren geht, sagt Ekaterina Ilin. Der Sonnenwind reißt einen Teil der Planeten-Atmosphäre fort, sodass der Planet einen Schweif aus Gas trägt. Das Material aus seiner Atmosphäre ist daher noch eine Weile zu sehen, nachdem der Planet den Stern bereits passiert hat. Wir erkennen das an einer Deformation der Kurve, auf der sich der Planet vor seinem Stern vorbei bewegt, der Transitkurve.

Der Exoplanet »TOI-700 d«. Er ist etwa zur Hälfte sichtbar und hat eine blau-weiße Oberfläche.
Ein Beispiel für einen Himmelskörper, auf dem flüssiges Wasser und Leben möglich wären: Exoplanet »TOI-700 d«. Illustration NASA/GSFC

Exoplaneten sind so weit von uns entfernt, dass man sie vom Erdboden aus mit bloßem Auge gar nicht entdecken könnte. Zu groß sind die Störungen, die die Erdatmosphäre verursacht. Vielmehr wurden viele der Exoplaneten von den Weltraum-Teleskopen Kepler und TESS, (kurz für »Transiting Exoplanet Survey Satellite«) entdeckt. Diese fotografieren über viele Wochen wiederholt denselben Himmelsausschnitt mitsamt seiner vielen Tausend Sterne. Vergleicht man die Aufnahmen der Sterne, werden feinste Veränderungen in ihrem Licht sichtbar. Vor allem periodisch wiederkehrende Veränderungen sind interessant, weil diese Hinweise auf die Umlaufbahn von Planeten sein können. Nicht immer schiebt sich ein Planet unmittelbar vor seinen Stern, sodass er sich quasi direkt verrät. Manchmal muss man Planeten indirekt über den sogenannten Gravitationslinsen-Effekt nachweisen: Streicht das Licht eines Sterns an einem Planeten vorbei, so führt dessen Anziehungskraft dazu, dass das Licht teils zu ihm hin abgelenkt wird. Das Licht wird dabei gewissermaßen aufkonzentriert, sodass es kurz heller strahlt.

Während sich Ekaterina Ilin vor allem auf die Vermessung einzelner Planeten und Sterne konzentriert, beobachtet ihre Kollegin Laura Ketzer ganze Populationen von Sternen. Sie nutzt numerische Verfahren, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie häufig erdähnliche Bedingungen vorkommen könnten, unter denen Wasser für lange Zeit auf einem Planeten verweilt. Sie berücksichtigt dabei unter anderem, wie sich die Strahlungsintensität einer Sonne im Laufe von Jahrmilliarden verändert und wann und wie lange ein Planet möglicherweise im Sweet-Spot verbleibt – oder aus ihm herausgleitet. Die Erde wird nach neueren Untersuchungen voraussichtlich in einer Milliarde Jahre aus der Idealposition rutschen.

Unterstützt werden die beiden Doktorandinnen unter anderen von ihrem Kollegen Julián Alvarado-Gómez, der das Verhalten der Sterne und Planeten mithilfe von Simulationen ergründet. Ekaterina Ilin sagt: Letztlich treibt uns alle die Frage an, wer wir Menschen eigentlich sind. In welchem Verhältnis stehen wir zum großen Rest des Universums?

Und natürlich stehe die Frage im Raum, ob es irgendwann gelingen werde, einen Erdzwilling zu finden, über den, wie bei uns, ganz selbstverständlich seit Jahrmillionen das Wasser fließt.

Wird es irgendwann gelingen, einen Erdzwilling zu finden?

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