»HANNAH ARENDT«

Von ANNETTE VOWINCKE
»Hannah Arendt« ist der schlichte Titel dieser sehr lesenswerten Werkbiografie, die Annette Vowinckel vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam in der Gelben Reihe bei Reclam vorgelegt hat — bereits in der 2. Auflage. Das Büchlein liest sich flüssig und ist angesichts des zierlichen Formats und seiner inneren Größe als ständiger Begleiter (auch als ebook) sehr zu empfehlen. Arendt erscheint uns als politische Philosophin, die Denken und Handeln versöhnen will, und die uns heute viel zu sagen hat. Das ist angesichts des Stoffs, mit dem sie umgeht und der Zeit, in der sie lebte, instruktiv und bisweilen tief beunruhigend. Annette Vowinckel löst dabei ein, was Arendt für die Biografie Rahel Varnhagens, ihre Dissertation, postulierte: »... ihre Lebensgeschichte so nachzuerzählen, wie sie selbst sie hätte erzählen können« jenseits »der Indiskretion, die versucht dem anderen auf die Schliche zu kommen und mehr zu wissen wünscht oder zu durchschauen meint, als er selbst von sich gewußt hat oder preiszugeben gewillt war«. CHRISTIANE NEUMANN
Erschienen bei Reclam
»HANS-WERNER SINN UND 25 JAHRE DEUTSCHE WIRTSCHAFTSPOLITIK«

Von GABRIEL FELBERMAYR, MEINHARD KNOCHE, LUDGER WÖSSMANN (HRSG.)
Zu Hans Werner Sinn ist alles gesagt worden, könnte man meinen. Zu seinem Abschied aus dem Präsidenten-Amt des Münchner ifo Instituts legen Weggefährten, Freunde und Kollegen dennoch ein weiteres Buch vor. Und das ist allemal die Lektüre wert. Nicht nur, weil es den Anspruch einlöst, diesen streitbaren Wissenschaftler nochmals in all seinen Facetten darzustellen. Auch fiel die Wahl der Autoren auf Zeitzeugen, dank derer der Leser die Welt der Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien eines Vierteljahrhunderts im Zeitraffer durchschreitet. Medienmacher wie BR Intendant Ulrich Wilhelm treffen auf Finanzgrößen wie Deutsche Bank-Präsident Jens Weidmann, »bayerische Gewächse« wie der ehemalige Wissenschaftsminister Hans Zehetmair auf beharrliche SinnKritiker wie Gregor Gysi und Jürgen Trittin. Das so entstandene Buch ist gewichtig wie Sinn selbst und somit leider nicht geeignet für die globale Jet-Set-Community. Dafür aber sind die einzelnen Beiträge lesegerecht für unsere Häppchen-Gesellschaft aufbereitet. CHRISTINE BURTSCHEID
Erschienen im Hanser Verlag
»MENSCHEN, SCHIFFE, LADUNGEN«

Von KLAUS-PETER KIEDEL
Der Bildband kommt vornehm zurückhaltend daher — ganz hamburgisch, schwarzweiß innen und außen, im Querformat nur unauffällig ungewöhnlich; hamburgisch, wie es auch der Fotograf Walter Lüden war, dessen Aufnahmen er präsentiert und der als »Hamburgs Hafenfotograf Nummer 1« zu einigem regionalen Ruhm gekommen ist. Doch der Band zeigt gar nicht so sehr den einen Hafen da im Norden Deutschlands, die Hansestadt ist vielmehr weite Kulisse von (Augen)Blicken des Aufbruchs, der Bewegung, der Arbeit und der Maschinen. Die Perspektiven entheben den Hafen seiner schönen Heimat und zeigen Welt und Weitläufigkeit im Herein und Hinauskommen — etwa die Verladung urheimischer Produkte der Automobilindustrie neben einreisenden Elefanten aus Indien. Mehr Welt als Ort, wäre da nicht auf einem Schildchen von einer »Großen Hafenrundfahrt« zu lesen, die den Betrachter sanft an Stadt und Sprache erinnert. CAROLINE A. LODEMANN
Erschienen im Oceanum Verlag
WAS LESEN SIE, HERR STEINMETZ?

»DRAGON’S EGG von Robert L. Forward!«
Es gibt zwei Wege zur Astrophysik: Die einen kaufen sich als Jugendliche ein Fernrohr und werden Beobachter, die anderen lesen Science-Fiction und werden Theoretiker. Ich besaß ein Fernrohr, wurde aber Theoretiker — vielleicht weil ich auch Science-Fiction-Romane mag? Einer davon ist »Dragon’s Egg«. Robert L. Forward erzählt darin von einem Neutronenstern, der vor 500.000 Jahren einer Supernova entsprang und fortan auf die Erde zurast, bis ihn 2020 eine Doktorandin entdeckt. Eine Expedition zum »Drachenei« startet. Weil die Schwerkraft auf dessen Oberfläche etwa 70 Milliarden Mal so stark ist wie auf der Erde und sämtliche Kräfte nuklearer Natur sind, laufen alle Prozesse ungleich schneller ab. In 500.000 Jahren geschieht, was auf der Erde mehr als 4,5 Milliarden Jahre dauerte: Intelligentes Leben entsteht. Die »Cheela« sind wegen der Gravitationskräfte klein wie ein Sesamkorn. Während der siebentägigen Expedition durchlaufen sie eine Entwicklung von der Vor-Steinzeit bis zur Neuzeit. Und nehmen Kontakt mit der Expedition auf. In wenigen Erd-Stunden werden aus Lernenden Lehrende, die uns technologisch weit voraus sind. Ich habe »Dragon’s Egg« verschlungen, weil es alle Kriterien der hard science fiction erfüllt: wissenschaftlich fundiert; also keine Zeitreisen und Laserschwerter — sorry. MATTHIAS STEINMETZ, Wissenschaftlicher Vorstand des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam
Erschienen bei Ballantine Books