»DIE DIGITALE MOBILITÄTSREVOLUTION«
Von WEERT CANZLER & ANDREAS KNIE
Deutschland ohne Autos? Kaum vorstellbar. Industrie, Gesetzgebung, ja sogar die Mentalität der Autonation scheinen so sehr auf den motorisierten Individualverkehr fokussiert zu sein, dass Alternativen bislang nicht über Versuche hinausgekommen sind. Doch was wäre, wenn das Smartphone das Auto als Goldenes Kalb der Deutschen ablöste? Weert Canzler und Andreas Knie, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, haben durchgespielt, was möglich wäre, wenn Deutschland alle Möglichkeiten der digitalen Verkehrssteuerung ausschöpfte. Selbstfahrende Autos etwa ließen sich bedarfsgenau mieten und mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln per App leicht kombinieren. Die Elektromobile könnten auf dem Land als kollektive Transportmittel für Personen wie Waren zur Verfügung stehen. Und sogar als Speicher für Überschüsse eines Stromnetzes dienen, das aus erneuerbaren Energien gespeist wird. Eine digitale Mobilitätsrevolution also, bei der sich das Mitmachen für alle lohnen könnte.
STEFANIE HARDICK
Erschienen im oekom verlag GmbH
»MEHR ALS EINE ERZÄHLUNG«
Von FRANK BAJOHR ET AL.
Im Geschichtsunterricht wird man gezwungen, Jahreszahlen auswendig zu lernen. An der Universität lernt man dann, dass diese Fakten gemacht wurden. Und beides vergisst man immer wieder. »Mehr als eine Erzählung« ruft in Erinnerung, dass Geschichtsschreibung einem Auswahlprozess unterliegt. Aus vielen Geschichten werden nur einige zu der Geschichte, die Eingang in unser kollektives Gedächtnis findet. Aber welche und vor allem wessen Geschichte wird erzählt? 1999 hatte der Historiker Axel Schildt die Debatte angestoßen. Er erklärte, historische Narrative würden für politische Gegenwartsinteressen in Anspruch genommen. Ausgehend davon nehmen Historiker in diesem Band verschiedene Narrative unter die Lupe. Ulrich Herbert etwa legt dar, dass die Geschichte der Migration nach Deutschland weiter zurückreicht als die der sogenannten Gastarbeiter. Aber schon in den 1960er Jahren sei dieser Teil der Geschichte ausgelassen worden. Und ohne Einwanderungsgeschichte war Deutschland eben auch »kein Einwanderungsland«.
MARLENE BREY
Erschienen im Wallstein Verlag GmbH
«WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION — SCHLÜSSELIDEEN, AKTEURE, FALLBEISPIELE»
Von MARC-DENIS WEITZE & WOLFGANG M. HECKL
Wissenschaft, die sich als Teil der Gesellschaft versteht, muss mit ihr in Dialog treten. Die Wissenschaftskommunikation umfasst mehr als die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wissenschaftlicher Einrichtungen. Das zu zeigen, ist ein Anliegen von Wolfgang M. Heckl und Marc-Denis Weitze. Als Generaldirektor des Deutschen Museums in München bewegt Heckl sich permanent an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft. Weitze ist Kommunikationsexperte bei Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Ihr Buch ist kein Leitfaden für die Praxis, sondern liefert einen theoretischen Überblick vom Marketing bis zur Bürgerwissenschaft. In seiner vielfältigen und detaillierten Struktur streift es zahlreiche Aspekte. Die Kontroversen um Gentechnik und Atomenergie etwa zeigen ganz konkret die Kommunikationsprobleme zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Heckl und Weitze leiten daraus eine ihrer Kernforderungen ab: Wir müssen mit dem Dialog ernst machen.
CHRISTOPH HERBORT-VON LOEPER
Erschienen bei Springer Spektrum
WAS LESEN SIE, FRAU KLEINGÄRTNER?
»DELHI—IM RAUSCH DES GELDES von Rana Dasgupta!«
Was passiert mit einer Stadt, die sich so plötzlich und grundlegend verändert wie die Millionen-City Delhi? Und wie gehen ihre Bewohner mit den krassen Umbrüchen um? Rana Dasgupta bietet einen anschaulichen »Blick hinter die Kulissen« dieser Stadt voller Gegensätze und Ungleichheiten. Während die einen ohne Strom und Wasser leben, lassen sich die anderen in abgeschotteten Limousinen chauffieren. Die Gewinner der Globalisierung nutzen die Stadt nur zu ihrem Profit und haben offenbar kein Interesse daran, eine lebenswerte Umgebung mitzugestalten. Als Sohn britischindischer Eltern ist Dasgupta in Großbritannien aufgewachsen und schließlich nach Delhi übergesiedelt. Ungeschönt beschreibt er das Kaleidoskop der Stadt. Dafür traf er Milliardäre und Slumbewohner, Sozialarbeiter und Gurus. Ich war noch nie in Indien, würde aber gerne einmal dorthin reisen. Sicherlich macht das Buch achtsamer für Details, die man als Tourist nicht erfasst. Es illustriert, welche Gefährlichkeit darin liegt, wenn eine Stadt großes globales Engagement zeigt, doch dabei die lokale Lebensqualität aus dem Auge verliert. Wer sich für die unsichtbaren Mechanismen der Globalisierung und die Verbindung von Traditionen und Moderne interessiert, dem sei dieses Buch empfohlen. SUNHILD KLEINGÄRTNER, Geschäftsführende Direktorin des Deutschen Schiffahrtsmuseums
Erschienen im Suhrkamp Verlag