Ihr Durchmesser beträgt nur wenige Zentimeter, und doch sind sie erstaunlich zuverlässige Zeitzeugen. Münzen sind meist aus robustem Material gefertigt und können problemlos Jahrhunderte überdauern. Anhand der Fundorte historischer Münzen ist es möglich, alte Handelsrouten und Währungsräume zu rekonstruieren. Werden beispielsweise in Indien immer wieder antike römische Münzen ausgegraben, können wir daraus schließen, dass die Handelswege der Römer bis nach Südasien reichten. Münzen waren aber nicht nur Zahlungsmittel, sondern wurden auch genutzt, um Machtverhältnisse zu demonstrieren. So verraten sie uns heute auch etwas über die politischen Konstellationen ihrer Zeit: Wer entschied darüber, welche Motive die Münzen zierten? Wie ließen sich Herrscher auf ihnen darstellen? Welche Titel gaben sie sich und welche Ansprüche erhoben sie damit?
In unseren Beständen können wir mittels einiger antiker griechischer und römischer Münzen mehr als 2.300 Jahre in der Vergangenheit zurückblicken. Die meisten Objekte unserer Sammlung stammen allerdings aus dem deutschsprachigen Raum, aus der Zeit des Mittelalters bis in die Gegenwart. Dazu zählen neben rund 50.000 Münzen auch etwa 20.000 Medaillen, 15.000 Banknoten sowie mehrere Tausend Siegel- und Prägestempel, Jetons, Rechenpfennige, Orden und Abzeichen.
Ein kleiner Teil unserer Sammlung liegt verstreut in der Dauerausstellung des Museums aus. Die meisten Objekte lagern aber in unserem Depot und können – nach Voranmeldung – im Studiensaal eingehend begutachtet werden. Oft sind es Forscherinnen und Forscher, die ausgewählte Stücke zu kunsthistorischen Fragestellungen untersuchen, sie also genauestens dokumentieren, vermessen, wiegen und kontextualisieren.
Mein persönlicher Favorit im Kabinett? Ich bin immer wieder vom Anblick einer ovalen Medaille fasziniert: Sie wurde 1687 aus Silber gefertigt, ist rund sieben mal 5,6 Zentimeter groß und erinnert an einen Sieg der Venezianer über die Osmanen während des großen Türkenkrieges. Auf einer Seite zeigt sie den Markuslöwen, der mit seiner Pranke einen Delfin umfasst, auf der anderen den venezianischen Dogen, thronend über zwei knienden Osmanen. Das Besondere an der Medaille: Sie ist wunderbar bunt emailliert.
In meinem Arbeitsalltag versuche ich, möglichst viele unserer Objekte zugänglich zu machen, indem ich sie wissenschaftlich bearbeite, also fotografiere, vermesse und für unseren Onlinekatalog dokumentiere. Dabei sind Handschuhe Pflicht – einerseits zum Schutz der empfindlichen Objekte, andererseits zum Eigenschutz vor giftigen Materialien wie Blei. Die Sammlung des Münzkabinetts wächst kontinuierlich, hauptsächlich durch Schenkungen und Leihgaben privater Sammler. Hin und wieder kaufen wir auch gezielt Stücke hinzu. Besonders viel Spaß macht mir die Arbeit, wenn unbestimmte Objekte zu uns finden. Denn dann beginnt die akribische Erforschung ihrer Geschichte.
CAROLIN MERZ ist Historikerin und Numismatikerin und arbeitet im Münzkabinett des Germanischen Nationalmuseums – Leibniz-Forschungsmuseum für Kulturgeschichte in Nürnberg.