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Sie kommen in riesigen Paketen und beim Auspacken entdecke ich die Welt. Eine bunt illustrierte nenzische Fibel eröffnet mir eine unbekannte Kultur. Schon als Kind verschlang ich meine Schulbücher, fast immer habe ich sie vorab in den Ferien gelesen. Ich wurde in der DDR eingeschult, 1990 wurden unsere Schulbücher komplett ausgewechselt. Ich weiß also, dass Schulbücher Weltbilder prägen und wie wichtig es ist, sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen.

Heute spüre ich Schulbücher aus der ganzen Welt auf. Würden wir die inzwischen gesammelten Exemplare in einer Reihe aufstellen, könnte man drei Kilometer an ihnen entlangwandern. Selbst wenn die Schulzeit länger zurückliegt, erkennen die meisten ihre Schulbücher sofort am Cover. Sie sind Teil unseres kulturellen Gedächtnisses. Sie geben Wissen an die nächste Generation weiter und unsere Nutzerinnen und Nutzer erforschen, welche Werte und Normen sie vermitteln. Auf meiner Suche arbeite ich nicht nur mit Verlagen zusammen, sondern auch mit Bildungsministerien, NGOs sowie mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Besonders schwierig ist es, an Schulbücher aus Krisenregionen zu kommen. Erst kürzlich bat mich ein Kontakt in Burundi um Geduld, weil er wegen heftiger Überschwemmungen und der lebensbedrohlichen politischen Lage keine Schulbücher beschaffen und verschicken konnte. Persönliche Kontakte brauche ich auch bei den digitalen Schulbüchern, die immer mehr die Klassenzimmer erobern. Das Bild von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren als Bücherwürmer ist endgültig überholt. Ich sehe mich eher als Informationsmanagerin und arbeite an einer Infrastruktur, um die digitalen Schulbücher langfristig zu sichern und der Forschung zugänglich zu machen.

Ob es künftig gedruckte Schulbücher geben wird? Ich gehe auch langfristig von einer friedlichen Koexistenz zwischen gedruckten und digitalen Schulbüchern aus. So stelle ich mir vor, wie sich auch in Zukunft Schülerinnen und Schüler neugierig durch Wissenswelten blättern und mit Begeisterung digitale Lernmöglichkeiten nutzen.

ANKE HERTLING leitet die Forschungsbibliothek des Georg-Eckert-Instituts, Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig.

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