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Nichts kommt, wenn wir es nicht machen.

Die Berlinerinnen und Berliner unter uns hören die Botschaft schon lange: Der Wedding kommt! Dem Stadtteil, in dessen südlicher Nachbarschaft die Leibniz-Gemeinschaft ihr Zuhause hat, wird seit Langem der Aufschwung zum neuen In-Viertel vorausgesagt, das in der Hauptstadt bekanntlich alle paar Jahre ein paar Straßenzüge weiterzieht. Aber der Wedding kommt und kommt nicht. Woran liegt das? Es liegt daran, dass ein Stadtteil nicht einfach kommt. Es sind Menschen, die Stadtteile beleben, weg- und hinziehen und das Straßenbild prägen und verändern. Nichts kommt einfach, wenn wir es nicht machen.

Schon länger und immer wieder hört man auch: Die Digitalisierung kommt! Ach und o je! Auf manchen Podien, in manchen Artikeln, in manchen Gesprächen klingt das, als käme sie schicksalhaft mit einer schier nicht zu bewältigenden, unkontrollierbaren Wucht und sei sowieso eine Bedrohung und Zumutung für uns alle. Aber hier kann kein Zauberlehrling klagen; digitale Geräte und Prozesse sind keine »Geister, die wir riefen und nicht mehr loswerden«, sie sind gemacht von Menschen und für Menschen, und das Maß und die Räume, in denen sie uns zur Verfügung stehen sollen, bestimmen Menschen. Wo wollen wir uns kraftvoll digitaler Methoden, Hilfsmittel und Innovationen bedienen, und wo wollen wir eher freibleiben von den Bedingungen und der Bedingtheit digitaler Mittel? Es ist sicher nicht einfach, insbesondere bei der hohen Geschwindigkeit, in der in den vergangenen zwei Jahrzehnten völlig neue Produkt- und Handlungsformen erschlossen wurden, der Definition durch die Digitalisierung mit der selbstbestimmten Definition der Digitalisierung durch uns zuvorzukommen. Aber wir gestalten unser Leben und unsere Lebenswelt — eine Verantwortung, aus der wir uns nicht selbst entlassen sollten. Das kann auch bedeuten, dass wir uns bewusst beschränken und unsere Errungenschaften regulieren — für ein Leben und ein Miteinander, wie wir es leben wollen. Das ist unsere Aufgabe.

Nur so ein Vorschlag: Gestalten wir ohne viel Aufhebens, aber mit der nötigen Freude und dem nötigen Ernst unsere Gegenwart mit den Möglichkeiten, die wir nutzen wollen. Dann ist das Neue weder eine leere Floskel noch einschüchternd. Machen die das im Wedding nicht schon lange so?

MATTHIAS KLEINER

Porträt von Matthias Kleiner.

ist seit 2014 Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Zuvor war er von 2007 bis 2012 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Von 1976 bis 1982 studierte Matthias Kleiner Maschinenbau an der Universität Dortmund, wo er 1987 promoviert wurde und 1991 auch die Habilitation im Fach Umformtechnik erlangte.

Weitere Folgen seiner Kolumne Nur so ein Vorschlag ... finden Sie hier.

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