leibniz

Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? In der Rubrik Frag Leibniz können Sie – die Leserinnen und Leser unseres Magazins – aktiv werden. Stellen Sie den Forschenden der Leibniz-Institute Ihre Frage. Wir machen uns auf die Suche nach einer Antwort.

Die Frage dieser Folge lautet: Warum sind Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, für rationale Argumente wenig zugänglich?

Die Antwort stammt von Lotte Pummerer, Kevin Winter und Kai Sassenberg aus der Abteilung Soziale Prozesse des Leibniz-Instituts für Wissensmedien Tübingen.

Starke Überzeugungen sind häufig zentral für das Selbstbild von Menschen – deshalb verteidigen sie sie.

LOTTE PUMMERER, KEVIN WINTER & KAI SASSENBERG

Für Interessierte haben die Autorin und die Autoren einige weiterführende Lesetipps zum Thema herausgesucht. Sie finden sie hier, hier und hier.

»In vielen öffentlichen Diskussionen um Themen wie Klimawandel, Impfen und Akzeptanz von Infektionsschutzmaßnahmen trifft man auf Verschwörungstheorien, Ideologien und andere starke Überzeugungen. Menschen, die diese vertreten, scheinen für rationale Argumente und wissenschaftliche Erkenntnisse tatsächlich wenig zugänglich zu sein. Wie ist dies zu erklären?

Starke Überzeugungen – beispielsweise politische Einstellungen – sind häufig so zentral für Menschen, dass sie Teil ihrer Identität, also ihres Selbstbildes, sind. Da Menschen danach streben, ein positives Selbstbild aufrecht zu erhalten, verteidigen sie diese Überzeugungen. Das führt zu einer Bewertung von Informationen in deren Lichte: Wenn eine Information nicht mit dem eigenen Weltbild in Einklang steht, wird sie daher mit höherer Wahrscheinlichkeit abgelehnt.

Starke Überzeugungen treten häufig zusammen mit dem Bedürfnis auf, ein Gefühl von Kontrolle, Sicherheit oder Stabilität im Sinne des Verstehens und der Vorhersagbarkeit von Ereignissen zu haben. Das Eintreten komplexer oder zufälliger Ereignisse steht diesem Gefühl jedoch entgegen. Einfache Erklärungen und Schwarz-Weiß-Denken, das Unterteilen von Menschen in Feinde und Freunde etwa, können helfen, es wiederherzustellen. Davon abweichende Informationen würden dieses Gefühl in Gefahr bringen. Menschen mit starken Überzeugungen streben also auch danach, ihr Kontrollerleben zu verteidigen. Das begünstigt, dass rationale Argumente unberücksichtigt bleiben.

Der Glaube an Verschwörungstheorien stellt eine Weltanschauung dar, die mit starken Überzeugungen einhergeht. Er basiert auf der Annahme, dass es eine Gruppe mächtiger Personen gibt, die im Geheimen daran arbeitet, böswillige Ziele zu erreichen. Diese Annahme liefert eine einfache Erklärung dafür, warum Ereignisse wie die Einschränkung persönlicher Freiheiten im Zuge der Corona-Pandemie stattfinden, und schafft so ein Gefühl von Kontrolle. Weiterhin weichen solche Erklärungen in der Regel von den allgemein geteilten und wissenschaftlich fundierten ab. Die Überzeugung, selbst eine(r) von wenigen zu sein, die das Geschehen korrekt deuten, führt wiederum zu einer positiven Selbstbewertung.

Insgesamt sind das Streben nach einem positiven Selbstbild und einem Gefühl von Kontrolle und Sicherheit zentrale Faktoren, die es so schwierig machen, Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben oder starke Überzeugungen haben, mit rationalen Argumenten zu erreichen.«

STELLEN AUCH SIE IHRE FRAGE!

Wie groß ist der Weltraum? Kann man Dinosaurier zum Leben erwecken? Und wie funktioniert eigentlich unser Denken? Wohl jede und jeder von uns hat schon einmmal die kleineren und größeren Fragen des Lebens gewälzt. In unserer Rubrik »Frag Leibniz« können Sie die Forscherinnen und Forscher der Leibniz-Institute um Antwort bitten. Sie wollen es wissen? Stellen Sie hier Ihre Frage – wir leiten Sie direkt an das passende Institut weiter.