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Extreme Wetter

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In der Erdgeschichte hat es schon immer heftige Naturkatastrophen gegeben. Doch der Klimawandel erhöht Häufigkeit und Intensität von Stürmen, Dürren und Überflutungen in unserer Zeit: Der steigende Meeresspiegel bedroht Menschen in vielen küstennahen Gebieten zunehmend. Langanhaltende Trockenzeiten zerstören ganze Ernten. Extremniederschläge sorgen für großflächige Überschwemmungen.

Der Klimawandel könnte in den kommenden Jahrzehnten so dafür sorgen, dass einige Erdregionen unbewohnbar werden. Schon heute müssen jedes Jahr durchschnittlich rund 26 Millionen Menschen wegen Extremwetterereignissen ihre Heimat verlassen.

Doch oft führt ihre Migration ins Ungewisse: In der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, die vor allem im Angesicht der politischen Verfolgung in den zurückliegenden Weltkriegen formuliert wurde, werden Klimaveränderungen nicht als Fluchtursache anerkannt. Betroffene Menschen hatten deshalb bisher keinen Anspruch darauf, in anderen Ländern das Recht auf Asyl geltend zu machen. Auch ein UN-Abkommen konnte daran nichts ändern: Zwar werden im Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration von 2018 Klimaveränderungen als Ursache von Flucht und Vertreibung anerkannt, doch er ist für die 152 Mitgliedstaaten, die der Vereinbarung zustimmten (darunter Deutschland) nicht rechtlich bindend. Gegen das Abkommen stimmten die USA, Ungarn, Israel, Tschechien und Polen. Die verbleibenden Staaten nahmen nicht an der Abstimmung teil oder enthielten sich.

Steigende Meeresspiegel

Eine häufige Ursache für klimabedingte Migration sind Überschwemmungen von Küstengebieten. Da die Meeresspiegel infolge des Klimawandels in vielen Regionen ansteigen, treten Hochwasser dort häufiger auf – und in verheerenderem Ausmaß. Fluten zerstören Wohngebiete, das Meerwasser versalzt Böden, sodass sie nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden können. So gehen schon heute ganze Inseln unter oder werden unfruchtbar.

Und auch im Meer selbst verschwinden wegen des Temperaturanstiegs Ökosysteme, von denen Millionen Menschen abhängig sind: Das Absterben temperaturempfindlicher Korallen etwa raubt nicht nur Fischen den Lebensraum – sondern auch Fischern den Fang: ihre Lebensgrundlage.

In der Migrationsforschung wird zwischen Migration, Flucht und Vertreibung unterschieden. Wir nutzen hier meist den Begriff Migration, meinen damit aber auch Flucht und Vertreibung.

Trockene Hitze

Auch wenn Wasser fehlt, können Menschen zur Migration gezwungen werden. Wenn etwa Niederschläge ausbleiben oder die Temperaturen stark ansteigen, trocknen Böden und Pflanzen aus, sodass Ernten zerstört und landwirtschaftliche Nutzflächen unfruchtbar werden. Gleichzeitig steigt die Gefahr für große Wald- und Buschbrände, die wiederum Ökosysteme, menschlichen Lebensraum und Felder zerstören.

Verheerende Stürme

Alleine der Wind schwerer Stürme kann ganze Landstriche verwüsten, Häuser und Infrastrukturen zerstören. Zudem drückt er gewaltige Wassermassen auf die Küsten. So entstehen Überschwemmungen, die vom Meeresspiegelanstieg noch verstärkt werden. Besonders zerstörerische Beispiele sind die tropischen Wirbelstürme: Hurrikane, Taifune und Zyklone. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie infolge des Klimawandels in Zukunft noch häufiger wüten werden. Und mit größerer Heftigkeit.

Ungewisse Zukunft

Die Folgen des Klimawandels sind schwer zu prognostizieren: Weder langfristige Entwicklungen wie der Meeresspiegelanstieg noch kurzfristiges Extremwetter lassen sich exakt vorhersagen.

Um das Risiko für verheerende Naturkatastrophen zu minimieren, ist es Forscherinnen und Forschern zufolge elementar, den Klimawandel zu beschränken. Die bekannteste Maßnahme dazu ist die Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad Celsius bis 2100, auf die sich die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris einigten. Ohne Gegenmaßnahmen könnte sich die Erde bis 2100 um vier Grad erwärmen.

Eine weitere Maßnahme ist die Adaption an den Klimawandel: Die Menschen in besonders stark betroffenen Regionen sollen sich an seine Folgen anpassen. Dabei brauchen sie Unterstützung: In der Schule könnten Kinder lernen, wie man sich gegen Klimaveränderungen schützt, aber auch resistentes Saatgut, nachhaltige Fischerei und effiziente Anbaumethoden könnten helfen, sich für den Klimawandel zu rüsten. Oft fehlt für diese Maßnahmen bislang jedoch das Geld.

Sorge bereitet auch die Befürchtung, die Verknappung von Lebensmitteln und Trinkwasser infolge des Klimawandels könnte zu sozialen Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen führen. Laut Forschern besteht diese Gefahr vor allem in Ländern, in denen wegen Bürgerkriegen, extremer Armut oder Korruption bereits politische Konflikte schwelen. Kurzfristige Migrationsschübe infolge von Extremwetterereignissen könnten die Verteilungskonflikte noch verstärken.

Für die Menschen, die in den kommenden Jahrzehnten infolge von Stürmen, Überschwemmungen oder vom Klimawandel verstärkten Konflikten migrieren müssen, gibt es aber auch Hoffnung: So hat der UN-Menschenrechtsausschuss im Januar geurteilt, dass mit der Klimaflucht ein Recht auf Asyl einhergehen kann; Betroffene dürfen nun nicht mehr in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden, solange ihr Leben dort von den Auswirkungen des Klimawandels akut bedroht ist.

*JACOB SCHEWE und KIRA VINKE

haben die Redaktion während der Recherchen beraten. Am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erforschen sie den Zusammenhang von Klima und Migration. Schewe simuliert an dem Leibniz-Institut langfristige Klimaveränderungen und Migrationsbewegungen auf Grundlage großer Datensätze. Vinke untersucht, ob Migration eine effektive Anpassung an den Klimawandel ist. Sie hat in Bangladesch, Burkina Faso und auf den Marshallinseln Betroffene interviewt.

QUELLEN: Amnesty International, Brot für die Welt, Bushfire and National Hazards Cooperative Research Center, Climate and Migration Coalition, Correctiv, Der Tagesspiegel, Deutsche Welle, Frankfurter Rundschau, Global Peace Index 2019 (Institute for Economics and Peace), Greenpeace, Internal Displacement Monitoring Center, International Organization for Migration, Klima-Risiko-Index 2020 (Germanwatch), Oxfam, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Spektrum.de, Spiegel Online, Tagesschau, The Times-Picayune, Weltbank

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