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In dem Sammelband »Koloniale Spuren in den Archiven der Leibniz-Gemeinschaft« nehmen Forschende aus elf Leibniz-Einrichtungen das Thema Kolonialismus in den Blick – aus sehr verschiedenen Perspektiven. Wir stellen vier Beispiele vor.

Mit dem Dampfer nach Afrika

Die Schiffe hießen »Reichstag« oder »Bürgermeister«, ihre Fracht waren Palmöl, Kautschuk und Goldstaub. Das 1837 gegründete Handelshaus Carl Woermann war früh in den Handel mit dem afrikanischen Kontinent beziehungsweise den Warentransport von dort nach Europa involviert. Nachdem 1884 Namibia zur ersten deutschen Kolonie erklärt worden war, schritten die Planungen für systematische Schiffsrouten voran. Die Reichsregierung erteilte Woermann 1890 den Zuschlag, sie zu befahren, ab 1900 unterhielt das Unternehmen zweiwöchentliche Verbindungen nach Kamerun. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts begann sich die Situation zu wandeln, unter anderem vor dem Hintergrund der Aufstände der Nama und der Herero. Durch seine Monopolstellung war das Unternehmen Woermann auch zuständig für den Transport der Soldaten, die teils sehr brutal gegen die Einheimischen vorgingen. Gleichzeitig sank sein Stern, als diverse Politiker unterstellten, Woermann nutze dieses Monopol aus. In den Jahren darauf bekam das Unternehmen bedeutende Konkurrenten und konnte seine wirtschaftliche Stellung nur halten, indem es Verbünde mit anderen Firmen einging. Mit Erfolg: Im Jahr 1914 brachte Woermann es auf 13 Linien von Hamburg nach Westafrika und war dabei, weitere Linien auszubauen, als der Erste Weltkrieg ausbrach – und das koloniale Geschäftsgebaren jäh unterbrach. Im Deutschen Schifffahrtsmuseum hat die kurze Hochzeit des Handelshauses vielfältige Spuren hinterlasesen, unter anderem finden sich dort Fotoalben, Passagierlisten und Schiffsbaupläne.

Der Text basiert auf dem Sammelband-Beitrag von Christian Ostersehlte vom Deutschen Schifffahrtsmuseum – Leibniz-Institut für Maritime Geschichte.

uslegerkanus mit Männern, von Bord aus fotografiert
Foto SÜDSEE-SAMMLUNG OBERGÜNZBURG

Solidarität in Stein und Stahl?

Graue Fassaden, rechteckige Kolosse – bis heute herrscht eine recht weitverbreitete Vorstellung davon, was DDR-Architektur ausgemacht hat. Dass sie allerdings nicht nur in Bautzen, Rostock und Potsdam zu finden ist, sondern auch in Vietnam, Mosambik und Nordkorea, dürfte weniger bekannt sein. Doch vor allem in den vergangenen Jahren wurde genauer erforscht, wohin und in welcher Form DDR-Architektur exportiert wurde: Mehr als 400 entworfene und teilweise realisierte Projekte in mehr als 60 Ländern hat die Forschung zusammengetragen. Die Motive für die Projekte waren teils kommerzieller, teils politisch-strategischer, teils ethischer Natur, »wobei oft, wie in Vietnam, Äthiopien und Kuba, direkte Handelsinteressen auf Solidaritätsleistungen aufsetzten«, wie Andreas Butter vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung im Sammelband schreibt. Die Gebäude, die so entstanden, knüpften zunächst an die Moderne der Weimarer Republik an; danach gewannen sowjetische Vorbilder an Bedeutung. Der Fokus lag zunehmend auf einem industriellen Bauen. Das führte dazu, dass sich Gebäude ähnlichen Zwecks oft auch im Äußeren ähnelten, und es passte dazu, dass Gleichheit auch auf der zwischenmenschlichen Ebene als Ideal kommunistischer Gesellschaften galt. Freilich wurden diese Konzepte dann auf die jeweiligen Länder, in die sie exportiert wurden, angepasst. Berühmte Exportbeispiele sind ein Raumflugplanetarium, das 1979 in Tripolis in Libyen erbaut wurde, ein Wohnprojekt für Geflüchtete in Tansania und Krankenhäuser in Nicaragua.

Der Text basiert auf dem Beitrag von Andreas Butter vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung.

Raumflugplanetarium in Tripolis
Das Raumflugplanetarium in Libyens Hauptstadt Tripolis.

»Berghoheit« in Übersee?

Eine wesentliche Motivation hinter kolonialistischen Bestrebungen war es seit jeher, Rohstoffe zu gewinnen. Auslandsbergbau wurde daher vom Deutschen Reich aus von den verschiedensten Unternehmen, aber auch von Banken und Handelsfirmen betrieben. Die Entwicklung der Geschäfte hing dabei stark an der historischen Entwicklung – und der Bergbau spielte nicht nur in der klassischen Kolonialzeit, sondern auch zwischen den Weltkriegen und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Ein besonders interessantes Beispiel: 1888 erhielt die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika das Regal (also die »Berghoheit«) für Bergbau für das gesamte Gebiet. Doch mögliche Investoren waren lange zögerlich, schließlich wurden sogar britische Partner eingebunden. Erst als der Rohstoffbedarf international wuchs, kam auch die finanzielle Unterstützung in Gang. Im Jahr 1900 wurde die Otavi Minen- und Eisenbahngesellschaft gegründet. Zwar wurde auch hier das Voranschreiten der Geschäfte durch die Aufstände der einheimischen Bevölkerung eingeschränkt – letztlich waren sie für das Deutsche Reich und die involvierten Firmen dennoch eine ganze Zeit lang profitabel. Hohe Einnahmen brachten unter anderem Diamantenfunde und Kupfererze. Nach den zwei Weltkriegen übernahmen jeweils die Siegermächte die Kontrolle über die Kolonien und die dort ansässigen Unternehmen. Deutsche Firmen und Bergbauexperten waren erst seit den 1960er Jahren wieder ernsthaft außerhalb Deutschlands aktiv, sind es allerdings bis heute.

Der Text basiert auf dem Beitrag »Deutscher Auslandsbergbau im 19. und 20. Jahrhundert« von Michael Farrenkopf und Stefan Przigoda vom Deutschen Bergbau-Museum Bochum, dem Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen.

Übertrageanlage in der Bergbaustadt Tsumeb in Namibia
Anlage in der Berbaustadt Tsumeb in Namibia. Foto TSUMEB MUSEUM ARCHIVE

Von königlichen Audienzen, stillen Helfern und Jagdtrophäen

Hier finden Sie ein Interview mit Heinz Peter Brogiato, einem der Herausgeber des Sammelbands.

Knochen und Felle von Tieren, Zeichnungen besonderer Meeresbewohner, Blätter exotischer Pflanzen – vieles, was heute zu den Standardobjekten in den Naturkundemuseen der Welt zählt, wurde bereits während der Kolonioalzeit aus den Ursprungsländern dorthin geschafft, wo es heute in Vitrinen präsentiert wird. Auch die Sammlung des Berliner Museums für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN) wuchs zwischen 1875 bis 1910 in besonderem Ausmaß. Wenig verwunderlich, denn Erkundungen zur Geologie und Geografie waren fester Bestandteil der kolonialen Bestrebungen – immer verbunden mit der Rechtfertigung, auf diese Weise die Wissenschaft voranzubringen. So unterstützte das Deutsche Reich zahlreiche Forscher, die sich auf den Weg in ferne Länder machten, erwartete aber im Gegenzug, dass dadurch die eigenen Sammlungen wachsen würden. Vor Ort waren die Forschenden freilich auf lokale Unterstützer angewiesen, die beispielsweise beim Präparieren der Objekte halfen. Diese Mitarbeit wiederum wurde zwar kommentiert, wenn sie zusätzliche Mühen verursachte – aber von Anerkennung oder Dankbarkeit gegenüber den Helfenden ist selten zu lesen. War gerade die Herkunft von Objekten lange ein vernachlässigter Aspekt naturkundlicher Sammlungen, ändert sich das seit einigen Jahren. »Die Dokumentation […] kann dabei als Ausgangspunkt genommen werden, um sich mit der Thematik des Kolonialismus auseinanderzusetzen, um eurozentristische Sichtweisen zu durchbrechen und sichtbar zu machen, was momentan unsichtbar zu sein scheint«, schreibt Sandra Miehlbradt vom MfN. Zum Bestand des Museums gehören beispielsweise Tagebücher, wissenschaftliche Aufzeichnungen und Fotografien. »«

Der Text basiert auf dem Beitrag von Sandra Miehlbradt vom Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung.

Raubkatzenfelle hängen an Kleiderbügeln. Einige sind oben mit Zetteln versehen.
Raubkatzenfelle aus der Kolonialzeit in der Sammlung des MfN. Foto CAROLA RADKE/MFN

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