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Im Epilog verkehren wir unseren Schwerpunkt »Anfänge« in sein Gegenteil. Weitere Epiloge finden Sie hier.

Ohne Steinkohle würde es unsere moderne Welt nicht geben. Vor rund 250 Jahren wurde das »Schwarze Gold« zum Treibstoff der Industrialisierung, heizte die Dampfmaschinen in den neugebauten Fabriken und die Pumpen im Bergbau an, wurde zu Koks und schließlich mit Eisenerz zu Stahl weiterverarbeitet, der die Großstädte der Welt rasant wachsen ließ.

Mittlerweile ist das Zeitalter der Kohle – zumindest in Deutschland – weitgehend vorüber. Steinkohle wird bei uns seit 2018 nicht mehr gefördert, Braunkohle nur noch bis 2038. Der einstige Garant für Fortschritt gilt heute als schmutzig und überholt. Zwar ist Steinkohle bis zum finalen Ausstieg auch weiterhin im deutschen Energiemix zu finden, sie wird aber aus Ländern wie China, den USA und Australien importiert.

In ihrer historischen Bedeutung war die Kohle für Deutschland dabei weit mehr als nur »Energieträger«. Vor allem die Steinkohle hatte eine wichtige Funktion: Sie verlieh ganzen Regionen Identität, wesentlich dem Ruhrgebiet und dem Saarland, wo man auf die Bedeutung der eigenen Arbeit immens stolz war. Der Zusammenhalt der mehrere hundert Meter unter der Erde in engen Stollen schuftenden Kumpel ist bis heute legendär; und auch über Tage entwickelte sich eine äußerst robuste, von der Schwerindustrie geprägte Solidargemeinschaft: »Zusammen schaffen und zusammenhalten« war das Motto. Es gilt noch heute.

Bei der Braunkohle sieht das ein wenig anders aus. Sie lagert nahe der Erdoberfläche und kann zumindest geologisch betrachtet vergleichsweise einfach abgebaut werden – allerdings nur unter Einsatz leistungsfähiger Großtechnik und mit enormen Eingriffen in die Landschaft. Heute arbeiten kaum mehr als 20.000 Menschen in der Braunkohleindustrie. Mit dem absehbaren Ende der Braunkohleförderung sind trotzdem neue Herausforderungen verbunden: In welchen Jobs können die Menschen arbeiten, welche Perspektiven bieten ihnen ihre Heimatregionen noch? Welche Grube lässt sich erfolgreich fluten und zum See umfunktionieren? Wo könnten Renaturierungsprojekte vertriebene Tierarten wieder anlocken?

Kohlekraftwerke, Schaufelradbagger und Lagerstätten machen dann Platz für innovative Technologien, erneuerbare Energien und eine nachhaltigere Zukunft. Dass Schicht im Schacht ist, hat also zwei Seiten. Denn wie so oft gilt auch für die Kohle: In jedem Ende liegt die Möglichkeit eines Neuanfangs.

MICHAEL FARRENKOPF ist stellvertretender Direktor des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen. Dort leitet er das Montanhistorische Dokumentationszentrum.

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