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Das sagt der Hirnforscher

Glück findet man nicht im Gehirn, sondern mit dem Gehirn.

BERTRAM GERBER

»Das geht Sie gar nichts an!«, könnten Sie antworten, wenn ich Sie frage, was Glück ist. Denn Glück ist persönlich. Was Ihr Glück ist, verrät viel über Sie, einerseits. Und andererseits ist Ihr Glück eine Tatsache Ihres persönlichen, inneren Erlebens. Kein Gehirnforscher kann das Gegenteil beweisen, wenn Sie sagen: »Ich bin glücklich«. Auf die Frage nach dem Glück gibt es im Gehirn keine Antwort.

Glück ist, wofür es sich zu leben lohnt — zu erleben, dass einfach alles richtig ist. Es geht um die Ziele unserer Handlungen, und wie es sich anfühlt, wenn das Leben gelingt. Wissenschaftlich zuständig für das Glück ist die Psychologie, die Wissenschaft vom Denken, Fühlen, Handeln.

Auf der Suche nach dem Glück muss man als Gehirnforscher also das Thema wechseln, den psycho-physischen Rubikon überschreiten. Statt nach dem Denken, Fühlen, Handeln einer Person fragt man nach dem Verhalten eines Organismus und wie es körperlich zustande kommt. Statt »Was macht Sie glücklich?« fragt man: »Was sind die Gehirnmechanismen zur Auswahl von Verhaltenszielen? Wie kommen zielführende Verhaltensweisen zustande?«

Oder konkret: Wie wählen Sie zwischen Steak oder Obstsalat und wie kommen Sie an das gewählte Gericht heran?

Solche Fragen können für Menschen und für Tiere gestellt werden — denken Sie an die Suche der Bienen nach Pollen oder Nektar. Sie liefern oft Erkenntnisse, die weiter reichen als gedacht. So sind die Botenstoffe Serotonin und Dopamin bei Fliegen und Nagern entscheidend, damit sie überhaupt irgendwelche Verhaltensziele anstreben können. Dazu passt, dass Behandlungen milder Depression oft die Menge dieser Botenstoffe betreffen. Dies gilt für medikamentöse Behandlungen (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) und für Verhaltenstherapien (Joggen).

Warum gehen Gehirnforschung und Psychologie so oft und so gut Hand in Hand? Ich vermute: wegen der wechselseitigen Ursachenbeziehungen zwischen Gehirn, Verhalten und Erleben. Ein Fakir kann auch bei schweren körperlichen Verletzungen sein Schmerzverhalten und -erleben willentlich beeinflussen. Umgekehrt beeinflussen Veränderungen in der Arbeitsweise des Gehirns massiv Ihr Erleben und Verhalten, beispielsweise wenn Sie Medikamente, Gifte oder Drogen nehmen. Und drittens bestimmt auch Ihr Verhalten über Ihr Erleben: Nehmen Sie einen Stift und halten ihn nur mit den Zähnen mit der Spitze nach vorn fest. Auf diese Weise werden ihre Lachmuskeln aktiviert: Sie lachen, ohne zu lachen. In diesem Zustand werden Sie eine Situation als lustiger erleben, als wenn Sie den Stift mit den Lippen halten und dadurch ein Schmollgesicht machen. Auch wenn wir nicht verstehen, wie und warum das so ist: Gehirnaktivität, Verhalten und Erleben sind miteinander verschränkt.

Als Gehirnforscher muss ich also fragen, welches Verhalten dem Glück entspricht. Woran kann ich erkennen, dass für Sie alles richtig ist? Statt »Was ist Glück?« werde ich fragen: »Was tun Sie, wenn Sie glücklich sind, in einem Zustand allumfassender Stimmigkeit?«

Womöglich gar nichts?! Wenn alles stimmt, gibt’s nichts zu tun. Nichts zu fürchten, zu hoffen, zu wünschen. Es fehlt nichts mehr zum Glück. Ein Zustand, in dem alle Verhaltensziele erreicht und noch keine neuen Forderungen der Welt oder selbstgesteckte Ziele in Sicht sind, ein Zustand der Schwerelosigkeit — wäre das vielleicht das Glück?!

Jedenfalls wäre das Pech für den Gehirnforscher, denn Nichtstun ist das schlechteste aller möglichen Verhaltensmaße für Glück: Es kann genau so gut mit höchstem Glück wie mit tiefstem Unglück einhergehen.

Es bleibt also bis auf weiteres dabei: Für das Rätsel vom Glück gibt es im Gehirn keine Lösung. Aber kein Gehirn ist auch keine Lösung. Man findet das Glück nicht im Gehirn, sondern mit dem Gehirn. Die Gehirnforschung kann helfen, unser Verhalten auf der Suche nach dem Glück zu verstehen. Nicht mehr. Nicht weniger.

BERTRAM GERBER ist Leiter der Abteilung »Genetik von Lernen und Gedächtnis« am Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg.

Das sagt der Ökonom

Gemeinschaft macht zufriedener als materielle Werte.

JÜRGEN SCHUPP

Seit der Wiedervereinigung waren die in Deutschland lebenden Menschen nie zufriedener als heute. Allerdings liegt in Ostdeutschland die Zufriedenheit auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch unter dem westdeutschen Niveau. Am glücklichsten waren die Menschen hierzulande 1984. In diesem Jahr starteten wir die Befragungen für die am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin angesiedelte Langzeitstudie »Sozio-oekonomisches Panel« (SOEP). Erst in den vergangenen drei Jahren waren die Deutschen wieder so glücklich wie damals — und das, obwohl die Durchschnittseinkommen seitdem um rund 25 Prozent gestiegen sind. Am wenigsten zufrieden fühlten sich die Menschen 2004 und 2005, als die Arbeitslosigkeit besonders hoch war.

Ökonomen beschäftigen sich seit langem mit der Frage, was die Lebensqualität von Menschen ausmacht. Dabei beschränkten sie sich lange Zeit auf objektiv messbare Lebensbedingungen wie Einkommen und Vermögen. Wer aber umfassende Aussagen zur Lebensqualität treffen möchte, muss auch die subjektive Lebenszufriedenheit der Menschen im Blick haben. Wie zufrieden sind sie, wie hat sich der Grad ihrer Zufriedenheit im Lauf der vergangenen 30 Jahre verändert — und warum? Mit Hilfe repräsentativer Befragungen kann man die Antwort auf solche Fragen statistisch ermitteln.

Grundsätzlich gibt es zur Vermessung und Quantifizierung des Glücks mehrere Methoden. In der Sozialforschung stellt man Menschen drei bis zwölf kurze Einzelfragen, um ihr emotionales Empfinden in den vergangenen 14 Tagen zu erfassen. Daraus bildet man einen Index des Grades an Glück oder positiver affektiver Zufriedenheit.

Im SOEP dagegen verwenden wir einen ganz einfachen Indikator, um diesen »Glücks-Grad« zu messen. Wir fragen: »Wie zufrieden sind Sie alles in allem gegenwärtig mit ihrem Leben?« Auf diese Frage antworten die Studienteilnehmer mit Hilfe einer elf Punkte umfassenden Zufriedenheitsskala — und rund 80 Prozent stufen sich dabei eher als zufrieden ein. Diese Skala wird in vielen Studien weltweit verwendet und vermisst die kognitive, also eine eher rational bilanzierende, Dimension der Zufriedenheit.

Unsere Stichprobe von derzeit etwa 30.000 Personen in 15.000 Haushalten ist repräsentativ für ganz Deutschland. Und da wir jedes Jahr dieselben Menschen fragen, können wir auch herausfinden, wie sich die Zufriedenheit durch verschiedene Lebensereignisse wie Heirat, Geburt eines Kindes, Trennung, Verlust des Arbeitsplatzes oder Jobwechsel verändern.

Die Analyse der SOEP-Daten zeigt, dass kaum ein Ereignis Menschen unglücklicher macht als der Verlust des Arbeitsplatzes. Er führt zu einer signifikant sinkenden Lebenszufriedenheit sogar über mehrere Jahre. Der Grund dafür liegt jedoch weniger in wirtschaftlichen Aspekten als darin, dass nach einem Jobverlust viele soziale Kontakte verloren gehen und auch die gesellschaftliche Anerkennung ausbleibt.

Die Glücksforschung der vergangenen Jahre widmet sich zunehmend der Frage, welche Konsequenzen eine höhere Zufriedenheit im weiteren Lebensverlauf hat; vielfach belegt werden konnte der förderliche Einfluss auf die Gesundheit. Generell zeigt sich, dass nicht nur in Deutschland fast sämtliche Aktivitäten, die etwas mit Gemeinschaft zu tun haben, zu wachsendem subjektivem Wohlbefinden führen. Das fängt beim Alltag mit Familie und Freunden an und geht über nachbarschaftliche Hilfe bis hin zu ehrenamtlichem Engagement.

Wer zufrieden sein möchte, sollte also nicht nur auf sein Einkommen oder materielle Werte schauen: Sich zu vergemeinschaften kann die Lebensqualität viel weitreichender verbessern!

JÜRGEN SCHUPP ist Direktor des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) am DIW Berlin – Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung.

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