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Wie anders können wir uns begegnen?

Vor Kurzem hatte ich eine Diskussion über Finanzmittel: Reichen sie? Reichen sie nicht? Kann man überhaupt noch kürzen? Brauchen wir nicht mehr Mittel für mehr Aufgaben? Mir kam dann ein Satz in den Sinn, den einmal eine kluge DFG-Mitarbeiterin sagte: Geld hat die Eigenschaft, zu reichen. Ich las darin keinen Zynismus, denn natürlich gibt es Menschen und Menschheitsaufgaben, die mit einem kontinuierlichen Mangel an ganz unterschiedlichen Dingen leben: Zeit. Aufmerksamkeit. Antworten. Lösungen. Freundlichkeit. Und natürlich auch Geld. Darum geht es hier nicht. Ich meine, dass der Satz ganz schlicht den Auftrag formuliert, verfügbare öffentliche Mittel so einzusetzen, dass sie reichen. Das kann Unterschiedliches bedeuten: zum Beispiel, das eigene Aufgaben-Portfolio immer wieder kritisch zu prüfen und sich von lieb gewonnenen, aber althergebrachten Themen zu trennen. Es kann bedeuten, sich einen strengen Blick aufzuerlegen, was die Anlage und Organisation bestimmter Aufgaben angeht: Was ist wesentlich? Muss alles zum selben Zeitpunkt geschehen? 

Die Corona-Pandemie hat uns vor viele Herausforderungen gestellt, uns eingeschränkt; manchen hat sie sogar Menschen und Gesundheit genommen. Sie hat uns aber auch Geschenke angeboten: Genügsamkeit, Achtsamkeit und Rücksicht. Wir haben uns besonnen auf das, was unmittelbar wichtig ist, und diejenigen, die wir schützen und unterstützen wollen – individuell wie gemeinschaftlich.

Die Corona-Pandemie hat auch unseren Umgang mit Zeit und Planung verändert: Wege sind weggefallen. Treffen, Kontakte, Beschäftigungen sind und bleiben reduziert. Manches war leichter in den Sommermonaten, statt gemeinsam zu sitzen, haben sich manche auf »Arbeitsspaziergängen« besprochen. Im Herbst und Winter begegnen wir uns wieder vermehrt im virtuellen Raum, und jede einzelne Begegnung müssen wir planen. Damit geht immer auch eine kluge Auswahl einher, persönlich wie beruflich: Welches Gespräch ist unerlässlich? Und welchen Termin könnte man aufschieben? Wie anders könnten wir uns begegnen, statt »in die Röhre« zu sprechen und Entfernungen bitter zu spüren?

Dann könnte sich ein »Selbst« zur Genügsamkeit gesellen, und selbstgenügsam gelingt es uns vielleicht, Rainer Maria Rilke zu widerlegen: Wer jetzt lange Briefe schreibt, wird nicht allein bleiben. Nur so ein Vorschlag …

MATTHIAS KLEINER

ist seit 2014 Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Zuvor war er von 2007 bis 2012 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Von 1976 bis 1982 studierte Matthias Kleiner Maschinenbau an der Universität Dortmund, wo er 1987 promoviert wurde und 1991 auch die Habilitation im Fach Umformtechnik erlangte.

Weitere Folgen seiner Kolumne Nur so ein Vorschlag ... finden Sie hier.

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