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Der Sinn des Lebens – das muss etwas Spektakuläres sein, etwas Großes, Erhabenes. Schon die Formulierung klingt beeindruckend. Und tatsächlich, wenn wir darüber nachdenken, welche Personen ein Leben führten, das besonders intensiv von Sinn getragen wurde, kommen uns schnell Beispiele in den Kopf wie Ghandi, Martin Luther King oder Mutter Teresa. Das sind Menschen, die Spuren hinterlassen haben und deren Existenz nicht lautlos vorüberstrich.

Auch Gottfried Wilhelm Leibniz war eine solche Person. Sein Lebenswerk löste ein regelrechtes Erdbeben aus, dessen Wellen bis heute andauern. Er entwickelte das binäre Rechnen, auf dem unsere Computer basieren, schrieb philosophische Werke, vermittelte als internationaler Diplomat, machte unzählige technische Erfindungen ... Wer kann da schon mithalten?

Verblasst unser Leben im Schatten solcher Giganten? Auch heute wird manchmal suggeriert, dass Selbstverwirklichung und Sinnfindung eine beeindruckende, einzigartige Komponente haben müssten. Denn wir selbst sind ja etwas ganz Besonderes!

Doch das ist ein Trugschluss, hier ist Selbstverwirklichung in Selbstoptimierung umgeschlagen. Sinn entsteht nicht durch spektakuläre Taten, sondern durch den Kompass, an dem wir unser Leben ausrichten. Was machen wir zu unserem Sinn, was gibt uns Sinn und Orientierung? Das sind Fragen einer inneren Haltung und nicht äußerlich messbarer Ergebnisse.

Ausgerechnet hier kann Leibniz uns aber doch als Vorbild dienen, denn sein Leben war geprägt von einem ehrlichen Interesse an anderen Menschen, man denke an seine insgesamt 1.100 verschiedenen Briefpartnerschaften und an seine Freundschaft mit der Herzogin Sophie Charlotte. Leibniz kreiste nicht bloß um sich selbst, sondern war zutiefst involviert in diese Welt. Gerade durch eine solche Zugewandtheit kann – auch für uns heute – ein spürbarer Sinn entstehen, der wahrhaftig ist. Weil wir Sinnbeziehungen knüpfen und eingebettet sind in Zusammenhänge, die uns überschreiten.

Wir sollten uns daher nicht blenden lassen von der imposanten Formulierung: der Sinn des Lebens. Sie bringt uns auf falsche Fährten. Sinn entsteht weder durch große Leistungen, noch existiert Sinn im Singular. Wir alle haben verschiedene Arten und Quellen von Sinn, die uns durch das Leben tragen. Ihnen können wir mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung geben und können wichtig nehmen, was tatsächlich wichtig ist.

CHRISTIAN UHLE

ist Philosoph und lebt in Berlin. Wenn er sich nicht gerade für uns durch Leibniz‘ umfangreiches Werk gräbt, beschäftigt er sich unter anderem mit Fragen von Sinn, Freiheit oder neuen Technologien. Zu dem Thema dieser Folge—dem Sinn des Lebens—hat er übrigens ein Buch geschrieben.

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