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Das Bild oben zeigt eine Handschrift von Leibniz aus der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbiobliothek Hannover, LH XXXV, II, 1 B1. 23v

Der noch unübersehbare wissenschaftliche Nachlass von Leibniz bietet Überraschungen und birgt Schätze, wie sich im Laufe der Editionsarbeit immer wieder zeigt. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die längste mathematische Abhandlung, die Leibniz je verfasst hat: die »Arithmetische Quadratur des Kreises, der Ellipse und der Hyperbel, von der eine Folgerung die Trigonometrie ohne Tafeln ist« aus dem Sommer 1676.

Leibniz hoffte, mit Hilfe dieser Schrift Mitglied der Académie Royale des Sciences in Paris zu werden, wie er mehrfach dem ihm befreundeten Physiker Christiaan Huygens schrieb. Nur die bedeutendsten Veröffentlichungen waren geeignet, den Weg in die Akademie zu ebnen — Leibniz zählte seine Abhandlung offensichtlich dazu.

Widrige Umstände verhinderten jedoch eine Veröffentlichung zu seinen Lebzeiten, durch die der berüchtigte Streit zwischen Newton und Leibniz vermutlich einen anderen Verlauf genommen hätte. Die Wissenschaftler stritten, wer die Differentialrechnung erfunden habe. Newton setzte schließlich eine Kommission ein, deren Mitglieder er selbst berief. Leibniz wurde anschließend des Plagiats bezichtigt.

Es handelt sich um eine zusammenfassende Darstellung der Infinitesimalgeometrie: Arithmetische Quadratur meint die Angabe unendlicher Reihen rationaler Zahlen, die einen festen Zahlenwert haben. Die Kreisquadratur bestand in folgender Gleichung:

Π/4 = (1 + 1/3) + 1/5 - 1/7 ± …

Leibnizens überragende Leistung in dieser Schrift bestand in der exakten, am Vorbild des Archimedes orientierten Grundlegung der Integrationstheorie in einer Allgemeinheit, die erst Bernhard Riemann Mitte des 19. Jahrhunderts wieder erreicht hat. Leibniz zeigte, wie mit unendlich kleinen und unendlich großen Größen in mathematisch einwandfreier Weise umzugehen ist. Er entschuldigte sich geradezu für die übergroße Genauigkeit seines Vorgehens, da er als guter Didaktiker die abschreckende Wirkung eines solchen Verfahrens voraussah. Aber im Interesse der Geometrie sei diese Strenge notwendig gewesen.

Auch mich hat die Edition dieser einhundertsechzigseitigen Abhandlung große Mühe gekostet. Aber die gewonnenen Einblicke waren jede Stunde wert.

EBERHARD KNOBLOCH

widmet sich seit mehr als 40 Jahren Gottfried Wilhelm Leibniz. Seit 1976 leitet er verschiedene Reihen der Leibniz-Edition in Hannover, Göttingen und an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. In seiner Kolumne schreibt er über seinen Alltag mit dem Universalgelehrten.

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