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Der Mensch wird immer besser darin, die Kommunikation von Tieren untereinander zu entschlüsseln – auch dank technischer Fortschritte. Doch wird der Tag kommen, an dem wir endlich verstehen, was unsere Haustiere uns wirklich sagen wollen? Mirjam Knörnschild untersucht am Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung die akustische Kommunikation und das Sozialverhalten von Säugetieren, insbesondere von Fledermäusen.

LEIBNIZ Frau Knörnschild, können Tiere sprechen?

MIRJAM KNÖRNSCHILD Die Frage ist, wie man Sprache definiert. Wenn man Sprache als Kommunikation sieht, also als Austausch von Informationen, dann würde ich sagen: Jede Tierart tauscht Informationen mit ihren Artgenossen aus, manchmal auch mit Tieren anderer Arten. Insofern: Ja, alle Tiere können in gewisser Weise sprechen.

Gibt es Tiere, die intelligenter kommunizieren als andere? Zum Beispiel Säugetiere?

Das ist eine sehr schwierige Frage, weil Intelligenz gar nicht so einfach zu definieren ist. Tiere haben auf jeden Fall unterschiedliche Kommunikationswege. Bakterien nutzen zum Beispiel die chemische Kommunikation, bei der sie Botenstoffe austauschen. Je weiter man in der Phylogenie aufsteigt, desto komplexer wird es. Insekten etwa kommunizieren mithilfe von Pheromonen, also Duftstoffen.

Andere Kommunikationsformen sind uns als Säugetieren vertrauter. Wir Menschen sind sehr visuell orientiert, Gesten sind sehr wichtig, die Mimik sagt viel aus. Aber wir nutzen auch akustische und taktile Kommunikation. Im Prinzip kann jeder Sinneskanal nicht nur dafür genutzt werden, Informationen über die Welt zu erfahren, sondern auch, um diese an unsere Artgenossen weiterzugeben.

Sie sind Expertin für Fledermäuse. Wie läuft ein Gespräch in einer Fledermausgruppe ab? Wer sagt, wo es langgeht? Wer bestimmt, in welcher Ordnung sie sich in ihren Höhlen aufhängen?

Darüber wissen wir leider vergleichsweise wenig. Das liegt unter anderem daran, dass es über 1.400 verschiedene Fledermausarten gibt. Manche leben in großen Höhlenverbänden, andere in sehr stabilen Kleinstgruppen von nur wenigen Individuen. Das soziale Umfeld der Fledermausarten ist also sehr unterschiedlich und dementsprechend auch ihre Kommunikation.

Wie kann ich es mir in so einer großen Höhle vorstellen?

Ein bisschen wie in einer Großstadt, in Berlin zum Beispiel. Mit vielen kleinen Kiezen. In einer Höhle können mehrere Millionen Individuen leben, die dort den Tag verbringen und sich natürlich nicht alle untereinander kennen. Sie kommunizieren auch nicht alle miteinander, sondern haben ihre bevorzugten Hangplätze in der einen oder der anderen Ecke der Höhle. Kommuniziert wird nur im direkten Wirkungskreis, also mit den am nächsten hängenden Artgenossen. Meist hat man sogenannte Haremverbände, also ein Männchen, das mehrere Weibchen verteidigt und versucht, andere Männchen von ihnen fernzuhalten. Diese Männchen kommunizieren dann eher aggressiv miteinander. Die Weibchen in so einer sozialen Gruppe mögen sich aber in der Regel. Die Kommunikationslaute, die sie austauschen, sind daher eher freundlich, eventuell putzen sie sich auch gegenseitig oder schlafen tagsüber aneinander gekuschelt.

Fledermaus Schwarm fliegt in eine Höhle.

Wie finden Sie das heraus? Normalerweise hört man ja nicht, wie Fledermäuse miteinander kommunizieren.

Wir nutzen sehr viel Technik. Ultraschall, Mikrofone und Computer, die uns in Echtzeit ein Bild der Lautäußerungen generieren. Um die Tiere unterscheiden zu können, markieren wir sie, sodass wir dann zum Beispiel sagen können: Gerade kommuniziert Individuum XY, und der Verhaltenskontext ist, dass es sich von seinem Nachbarn geärgert fühlt.

Und was sagt so eine Fledermaus dann?

Wir wissen nicht, was sie konkret sagt. Wir haben keine einzelnen Wörter, die wir verschiedenen Fledermauslauten zuordnen können, also kein Lexikon. Aber wir können sagen, um welche Motivationen oder Gefühle es geht. Es gibt zum Beispiel freundliche Lautäußerungen, die nur von Tieren verwendet werden, die sich gut kennen und eine freundschaftliche Beziehung zueinander haben. Andere werden nur von Jungtieren benutzt, die ihre Mutter um Hilfe bitten, weil sie heruntergefallen sind oder Hunger haben. Wir wissen nicht, ob das Jungtier sagt: Bitte Mama, hilf mir! oder Bitte, Mama, komm! Aber wir wissen, dass es Schwierigkeiten hat, diese kommuniziert und so die Mutter dazu bringt, sich zu kümmern.

Glauben Sie denn, dass es irgendwann ein Lexikon der Laute geben wird, in dem steht: Wenn eine Fledermaus Hilfe braucht, sagt sie dieses oder jenes?

Ich denke, durch die enormen Fortschritte im Machine Learning, in der KI-gestützten Analyse und der Generierung von tierischen Lautäußerungen sind wir diesem Ziel in schon ein ganzes Stück nähergekommen. Die Frage ist immer: Wie gut sind die Daten? Wir benötigen da noch viel Grundlagenforschung. Forscher, die Zeit mit den Tieren verbringen und versuchen, ihre Lautäußerungen verschiedenen Bedeutungen zuzuordnen. Diese Trainingsdaten braucht man einfach, um damit ein Computermodell füttern zu können.

Aber wenn in fünf Jahren eine Fledermaus an meinem Haus hängt, die ich dort nicht haben will, können Sie mir vielleicht eine Aufnahme geben, die der Fledermaus sagt: Bitte such dir einen anderen Platz!?

Die Frage ist, ob man das jemals können wird. Jede Tierart kann so viel kommunizieren, wie für sie relevant ist. Es müsste also schon ein Artgenosse sein, der der Fledermaus signalisiert, komm mit, ich habe ein besseres Quartier! Aber wenn die Aufforderung keinen Sinn ergibt, weil sie im normalen Leben des Tieres nicht vorkommt, dann wäre meine Vermutung, dass das Tier auch nicht darauf reagiert.

Was ist denn mit Haustieren? Kommunizieren Wildtiere und Haustiere unterschiedlich?

Auf jeden Fall. Haustiere sind domestiziert. Das heißt, sie sind nicht nur daran gewöhnt, eng mit uns zusammenzuleben, sondern sind sogar darauf selektiert worden, besonders gut auf unsere Signale zu achten. Hunde zum Beispiel: Über viele Generationen wurden diejenigen Individuen ausgewählt, die am bereitwilligsten mit uns in Interaktion treten. Sie kommunizieren also sicherlich anders als Wölfe.

Woher kommen diese Unterschiede?

Die lassen sich auf der einen Seite auf die Domestizierung zurückführen und zum anderen darauf, dass sie viel mehr Erfahrung mit uns haben. Ein Hund, der 24 Stunden mit seinen Menschen verbringt, hat ganz andere Möglichkeiten, sich etwas abzugucken. Ein Wildtier sieht nur ab und zu mal einen Menschen, meist flüchtig, und hat dann vielleicht auch noch Angst vor ihm.

Die Kommunikation mit Haustieren ist aber im Grunde immer recht einseitig.

Ja, sie ist einseitig. Man fordert etwas und das Tier führt das dann aus oder auch nicht. Es ist jedoch bemerkenswert, dass Hunde, aber auch Katzen und Pferde, viele unserer Wörter bestimmten Aktionen, die sie ausführen sollen, sehr sicher zuordnen können. Das ist eine erstaunliche kognitive Leistung.

Und natürlich bemerkt man, wenn man seine Haustiere gut kennt und aufmerksam beobachtet, dass auch sie Forderungen und Erwartungen ausdrücken. Ich bin mir sicher, jeder Hundebesitzer weiß, wann es Zeit für den täglichen Spaziergang ist – auch ohne, dass der Hund bellend an der Tür steht. Tiere haben eine Vielzahl von nicht akustischen Kommunikationsmöglichkeiten. Erwartungsvoll schauen zum Beispiel.

Ein Hund schaut eine Katze durch ein Fenster an. Leibniz Magazin
Drei Hunde sitzen in der Küche schauen nach oben

Geht man zu weit, wenn man denkt, dass Tiere Gesprächspartner des Menschen sind? Also nicht nur Befehle befolgen oder auf Erwartungen reagieren, sondern selbst aktiv kommunizieren?

Die Frage ist, was man von dem Tier als Gesprächspartner erwartet. Ich glaube, Tiere sind sehr gute Zuhörer. Haustiere, die an ihre Besitzer gebunden sind, können sehr emphatisch sein und sensibel auf Stimmungen von ihren Bezugsmenschen reagieren. Ob man sich mit ihnen über das Wetter oder den schönen Sonnenuntergang unterhalten könnte, selbst wenn man das kommunikative Handwerkszeug dazu hätte, ist eine eher philosophische Frage.

Es gibt einige Tierarten, die sprachtrainiert worden sind. Menschenaffen zum Beispiel, die wie Kleinkinder in menschlicher Obhut aufgewachsen sind und gelernt haben, einen Sprachcomputer zu bedienen oder sich mit Zeichensprache zu verständigen. Diese Tiere treten in Interaktion mit den Menschen, mit denen sie kommunizieren wollen.

Und was kommunizieren sie dann so?

Es zeigt sich, bei aller Intelligenz, die diese Menschenaffen haben, dass sie recht wenig Mitteilungsbedürfnis zu haben scheinen. Das heißt, sie antworten zwar bereitwillig auf Fragen und sie stellen auch Forderungen. In der Regel möchten sie essen oder spielen oder Ablenkung, also die schönen Dinge des Lebens. Aber sie würden nicht wie ein Kleinkind sagen: Da! Schmetterling! oder Baum!. Dieses Bedürfnis, die Welt zu benennen und die ganze Zeit zu verbalisieren, was man sieht und was man fühlt, scheint etwas sehr Menschliches zu sein. Das heißt nicht, dass Tiere ein verarmtes Innenleben haben oder nicht viel über die Welt wissen oder nicht viel verstehen. Sie scheinen nur nicht das Bedürfnis zu haben, es uns mitzuteilen. Deswegen glaube ich, dass es erhellender ist, wenn man sich anguckt, wie Tiere miteinander kommunizieren und nicht, wie sie mit uns kommunizieren.

Was ist an der Kommunikation zwischen Tieren interessanter?

Mich persönlich interessieren vor allem Lautäußerungen, die sexuell selektiert sind, also bei denen es um die Konkurrenz von Männchen geht oder um das Balzverhalten. Dort gelten häufig ganz andere Freiheitsgrade als bei Lautäußerungen, die natürlich selektiert sind wie etwa die Mutter-Kind-Kommunikation. Sexuell selektierte Kommunikationssignale – denken Sie an das bunte Rad, das der Pfau schlägt – können sehr extravagant sein, unglaublich auffällig. Sie sind sogar manchmal fitnessmindernd: Ein Pfau mit langen Schwanzfedern kann kaum noch fliegen. Alles, was wir an besonders ästhetischen oder visuell und akustisch außergewöhnlichen Kommunikationssignalen im Tierreich sehen, ist in der Regel sexuell selektiert.

Und was zeichnet die Kommunikation zwischen verschiedenen Arten aus?

Zwischenartlich wird häufig kommuniziert, wenn es ein gemeinsames Ziel gibt. Kommunikation ist ein Mittel, um Informationen zu übertragen. Es ist aber häufig so, dass man diese Informationen nicht wertfrei übertragen will, sondern eine Verhaltensänderung im Empfänger auslösen möchte.

Ein gutes Beispiel für diese zwischenartliche Kommunikation sind Alarmrufe. Für kleine Vögel ist es nützlich, wenn nicht nur sie selbst und ihre Artgenossen aufpassen, dass kein Falke kommt, der sie vielleicht fressen könnte, sondern auch die kleinen Vögel anderer Arten. Und genau so etwas findet man im Tierreich. Alarmrufe von Vögeln können artübergreifend sehr ähnlich sein, sodass sichergestellt wird, dass andere Arten sie nicht nur verstehen, sondern dass bei ihnen auch ähnliche Reaktionen ausgelöst werden. Man hat einen gemeinsamen Feind, also ein gemeinsames Interesse, das kommuniziert werden soll. Und das klappt sehr gut.

TONSPUR WISSEN

Das Gespräch mit Mirjam Knörnschild vom Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung können Sie in voller Länge im Podcast Tonspur Wissen von Rheinischer Post und der Leibniz-Gemeischaft hören. Für leibniz haben wir es leicht gekürzt und bearbeitet. Im Podcast widmet sich die Journalistin Ursula Weidenfeld aktuellen Themen und Entwicklungen und spricht darüber mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Leibniz-Gemeinschaft. Alle Folgen des Podcasts finden Sie hier.

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