
»NICHTSEIN. ÜBER SUIZIDE UND MÖGLICHE URSACHEN«
Von KATHARINA SCHWARZ
Wenn ein Mensch Suizid begeht, hinterlässt er neben Angehörigen meist auch die Frage nach dem Warum. Wie kommt es, dass sich eine Person entscheidet, nicht mehr sein zu wollen? Dieser Frage geht Katharina Schwarz von der Berliner Universität der Künste nach. Für ihr Masterprojekt hat sie sich im Rahmen des Visual Society Program
mit der Demografin Ellen von den Driesch vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung zusammengetan. In ästhetisch-dokumentarischem Stil beleuchtet Schwarz gesellschaftliche, ökonomische und persönliche Ursachen. Nüchternen Statistiken stellt sie Einzelschicksale und Abschiedsbriefe gegenüber. Sie enthält sich dabei jeglicher Wertung und formuliert nie den Anspruch, eine finale Antwort auf das Warum zu kennen. Die Leerstelle, die jeder Suizid hinterlässt, hat Schwarz visualisiert: Für jeden Selbstmord, der 2015 in Deutschland begangen wurde, hat sie ein Loch ins Papier gestanzt. Gut 20 Seiten füllen die Löcher. Nichtsein
erzeugt trotz (oder gerade wegen) der zurückgenommenen Gestaltung ein beklemmendes Gefühl und regt so zum Nachdenken an. LENE GLINSKY

»MEIN JAHR IM WASSER. TAGEBUCH EINER SCHWIMMERIN«
Von JESSICA J. LEE
Ein Jahr, zwölf Monate und 52 Seen. Mit dieser Idee macht sich Jessica J. Lee auf, die Gewässer in und um ihre neue Heimat zu erkunden, als sie 2014 nach Berlin zieht. Einen See erschwimmt die Kanadierin pro Woche, ihre Erfahrungen schreibt sie nieder. Das Schwimmen ist dabei immer auch Therapie gegen die Einsamkeit und die depressiven Nachwehen einer gescheiterten Beziehung. Im Laufe der Jahreszeiten erlebt Lee, wie sich Bernsteinsee, Krumme Lanke, Stechlinsee & Co immerfort wandeln: In der Sommerhitze kippen sie um, bevor der Herbstwind ihre Schichten wieder durchmischt und die Füße irgendwann im Eiswasser schmerzen. Auch die biologischen Prozesse hinter diesen Veränderungen erklärt Lee, die nach Berlin gekommen ist, um ihre Doktorarbeit über Umweltgeschichte zu vollenden. Am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei hat sie dafür die richtigen Ansprechpartner gefunden. Ein Jahr verbrachte sie als Writer in Residence
an dem Institut am Müggelsee. DAVID SCHELP
Erschienen im Berlin Verlag

»KLIMAPOLITIK. ZIELE, KONFLIKTE, LÖSUNGEN«
Von OTTMAR EDENHOFER & MICHAEL JAKOB
Tippt man im Online-Buchversandhandel den Begriff Klimapolitik
in die Suchmaske, erhält man eine Liste mit hunderten Vorschlägen. Angesichts dieser Flut an Publikationen sei Leserinnen und Lesern, die sich kurz und knapp auf den aktuellen Stand bringen wollen, dieses schmale Büchlein empfohlen. Wunderbar kaleidoskopisch brechen Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Michael Jakob vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, dem Edenhofer ebenfalls vorsteht, das Thema herunter. Es geht um die Ursachen des anthropogenen Klimawandels, konkrete Lösungsvorschläge, aber auch um die Schwierigkeit, diese in verbindlichen politischen Abkommen zu verankern. Kritisch beleuchten die Autoren die Rolle der Wissenschaft in der Politikberatung und skizzieren mögliche Wege für die Klimapolitik. So empfehlen sie unter anderem, einen weltweit verbindlichen Preis für Kohlenstoffdioxid einzuführen. Die zentrale Idee hinter der CO2-Bepreisung
: Die Atmosphäre sollte als globales Gemeinschaftseigentum betrachtet werden. MATTHIAS PREMKE-KRAUS
Erschienen im Verlag C.H.Beck

WAS LESEN SIE, HERR WÄGELE?
CANAIMA von Rómulo Gallegos!
Ich bin in Kolumbien aufgewachsen und lese mit Genuss lateinamerikanische Literatur im Original. Mich faszinieren der Reichtum an Bildern und Naturbeschreibungen, das Verschwimmen der Realität mit fiebrigen tropischen Träumen, aber auch die Anklage gegen gewissenlose Oligarchien und ungestrafte Verbrechen. Canaima
von Rómulo Gallegos ist ein gutes Beispiel für diese Geschichten. Der in Venezuela lange verbotene Roman spielt im Dschungel Guayanas. Mit hypnotisierendem Dickicht und giftigen Schlangen plagt der bedrohliche Urwalddämon Canaima dessen Bewohner ebenso wie die verzweifelten Gold- und Kautschuksucher. Der ungestüme Abenteurer Marco Vargas misst seine Kräfte mit dem Wald und seinen Menschen. Rómulo Gallegos beschreibt den Kampf zwischen Zivilisation und ungehemmter Wildheit, zwischen Abenteuerlust und der Suche nach einem inneren Ziel — aber auch zwischen skrupelloser Gewinnsucht und Gerechtigkeit. Denn der Schriftsteller war zugleich Politiker, betätigte sich in der Opposition gegen den Diktator Juan Vicente Gómez und wurde später Präsident Venezuelas. 1969 starb Gallegos in Caracas. WOLFGANG WÄGELE, Direktor des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig — Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere
[nur noch antiquarisch erhältlich]