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In der letzten Folge unseres Dreiteilers »Neun Milliarden und Eins« widmen wir uns dem Klima. Welche Maßnahmen können wir schon jetzt treffen, damit wir die Klimakatastrophe abwenden können? Wir haben den Ökonomen Linus Mattauch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung gefragt.

Globale Klimapolitik funktioniert mit 8, 9 oder auch 10 Milliarden Menschen ziemlich gleich. Entscheidend für die Begrenzung des Klimawandels ist die Umstellung unserer Produktions- und Konsummuster. Selbstverständlich war in der Vergangenheit auch das Bevölkerungswachstum teilweise dafür verantwortlich, dass die globalen Emissionen gestiegen sind. Allerdings hat sich das Bevölkerungswachstum schon stark abgeschwächt – in fast allen Weltregionen –, und die Prognose, bei welcher Zahl und wann in diesem Jahrhundert es sich stabilisiert, ist gerade noch einmal nach unten korrigiert worden.

Essenziell für den globalen Klimaschutz ist hingegen, wie die pro-Kopf-Emissionen netto auf Null gesenkt werden können, um die globalen Klimaziele zu erreichen. Ein paar Menschen mehr oder weniger auf der Welt sind dafür nachrangig. Wächst die zusätzliche Milliarde Menschen in Ländern auf, die ihre Stromversorgung auf Erneuerbare, ihre Industrieproduktion auf Energieeffizienz und ihre Konsumgewohnheiten auf umweltfreundlich umstellen? – Diese Frage halte ich für wesentlich.

Wir können das nur gemeinsam schaffen!

LINUS MATTAUCH

Drei Maßnahmen sind hier meines Erachtens wichtig: Erstens müssen fossile Energien explizit oder implizit teurer werden – der Siegeszug der erneuerbaren Energien allein wird uns nicht in eine klimaneutrale Weltwirtschaft führen. Zweitens geht es nicht ohne internationale Kooperation: Wir können das nur gemeinsam schaffen! Und drittens, diese internationale Kooperation ist immer auch eine Frage der globalen Gerechtigkeit. Unsere Klimapolitik wird noch mehr zu einer »Klimaaußenpolitik« werden müssen, denn der größte Teil der globalen Emissionen wird außerhalb Europas, beispielsweise in Asien und Schwellenländern in anderen Teilen der Welt anfallen. Die globale Bevölkerungsstruktur wird diesen Effekt noch verstärken. Wie man in diesen Ländern höhere CO2-Preise und einen Kohleausstieg organisieren kann und zwar so, dass die Industrieländer des Nordens ihrer historischen Verantwortung gerecht werden, wird in Zukunft noch wichtiger sein – und uns auch in der Forschung beschäftigen.

Die Bevölkerungszuwächse bis zur neunten Milliarde werden hauptsächlich in Afrika und Teilen Asiens erwartet. Für die Abschwächung des Klimawandels ist die Verstädterung in diesen Weltregionen ein zentraler Faktor. Denn nicht nur der Bau von Städten an sich kann schon CO2-intensiv sein, sondern dort fallen dann auch in Zukunft sehr viele Emissionen im Verkehr- und Gebäudesektor an. Wird es uns gelingen, die durch die zusätzlichen Menschen voranschreitende Urbanisierung klimaschonend zu gestalten? Bisher laufen Verstädterungsprozesse in ärmeren Ländern oft unkontrolliert ab. Die Städte der Zukunft im globalen Süden so zu entwerfen, dass der Verkehr und die Kühlung der Gebäude energieeffizient sind und aus erneuerbaren Quellen gespeist werden können, ist meiner Meinung nach eine zentrale Herausforderung für die Klimapolitik im Globalen Süden.

Der Ökonom Linus Mattauch
Der Ökonom Linus Mattauch. Foto LUCAS ADRIAN

Sorgen habe ich bei der Klimakrise, weil unsere ökonomische und politikwissenschaftliche Forschung zeigt, dass es für die anstehenden Reformen handlungsfähige Regierungen und Vertrauen der Bürger*innen in die Politik bedarf, das gilt in ganz besonderem Maße für Umweltsteuern. Das beängstigende am Klimaproblem ist also nicht, dass wir keine ökonomischen Lösungen oder guten wirtschaftspolitischen Rezepte hätten – die gibt es nämlich – sondern wie diese in nur 30 Jahren auch in fragilen Staaten mit eingeschränkter Lenkungsfunktion der Politik durchgesetzt werden können. Wir müssen ja nicht nur in Deutschland hinreichend hohe CO2-Preise und den Kohleausstieg umsetzen, sondern auch in Südafrika, Mexiko, Nigeria, Indien, Indonesien und weiteren Ländern.

Hoffnung gibt mir, dass es auch dort erstaunliche positive Beispiele politischer Gestaltung gibt: Uruguay hat seit Neuestem den höchsten CO2-Preis der Welt. Mexiko hat eine Zuckersteuer zur Reduktion von Übergewicht, die auch wir in der EU gut gebrauchen könnten. Südafrika hat eine CO2-Steuer eingeführt und über einen Kohleausstieg mit internationaler Hilfe wird gerade verhandelt. In Indonesien hat das Finanzministerium großes Interesse an einer Besteuerung von Kohle signalisiert. Daher ist es mir in meiner Forschung sehr wichtig zu verstehen, wann ein politischer Prozess funktionieren kann, damit am Ende gute umweltpolitische Prozesse durchgesetzt werden können. Dafür sind wir in der Forschung insbesondere für den globalen Süden aber noch ganz am Anfang – das motiviert mich.

LINUS MATTAUCH ist Ökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Klimapolitik und Nachhaltigkeitsökonomie. Er ist Ko-Leiter des FutureLab »Inequality, Human Well-Being and Development« am PIK.

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