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Seien wir miteinander demokratisch!

Alle vier Jahre wieder: Erst Vorwahlkampf. Dann Wahlkampf. Und dazwischen eine fließende und unstrukturierte Zäsur für eine gewisse Spannungskurve. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden gekürt, nicht immer ohne Streit. Parteien haben ihre Programme geschrieben. Auf Plätzen und an Supermärkten flattern einschlägig-farbige Schirme und laden zum Gespräch mit den Kämpferinnen und Kämpfern der Wahl. Bald kommen die plakatierten Konterfeis, die Slogans, die Duelle und nun auch Trielle – rhetorische, versteht sich. Auf den ersten Blick sind die Aufgaben klar verteilt: Hier die Bürgerinnen und Bürger, die das alles wahrnehmen und (hoffentlich) wählen werden am 26. September – dort die Parteien und ihre Mitglieder und Kandidatinnen und Kandidaten, die sich und ihre Programme präsentieren und bewerben.

Doch halt. Soll das alles sein? Ist nicht auch alle vier Jahre wieder die Zeit für die Gesellschaft, diejenigen, die sie vertreten und zukünftig vertreten wollen, herauszufordern, sie zu befragen, auch um Rechenschaft, ihnen im Konkreten und im Großen wie im Kleinen Themen anzutragen – aus der Praxis, aus dem Beruf, von der Straße, aus den Familien, den Schulen, den Kindertagesstätten, den Vereinen, und natürlich auch aus Universitäten und Forschungseinrichtungen?

Die Themen, die uns dort beschäftigen, müssen nicht einmal Probleme sein – auch Anregungen durch Erprobung, auch Angebote auf der Grundlage von Erfahrungen und Expertise von überall her gehören in die Politik. Nur dann kann es eine gute Nähe des Wissens und Kennens und der Unterstützung zu denen geben, die uns in den Parlamenten vertreten – gelebte Subsidiarität. Ich meine also, dass eine demokratische Wahl wie jene zum deutschen Bundestag ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist, an dem alle Anteil haben – nicht nur im September, sondern auch davor und danach. Ich meine auch, dass gerade jetzt die Zeit ist für gute und geduldige Ohren, für nicht nur Gesten, sondern wahren Willen zur Veränderung, wo es Veränderung braucht (und die braucht es immer), für ein Denken, das nicht im bereits Bekannten Halt macht.

Wissenschaft und Forschung haben gerade im vergangenen Jahr Politik und Gesellschaft viel und bestes Wissen und ihre Einschätzungen und Empfehlungen bereitgestellt – wie es ja auch ihre Aufgabe ist. Wir reflektieren aber auch die Nützlichkeit und Wirksamkeit von Entwicklungen, Rahmenbedingungen, Gesetzen, die Wissenschaft und Forschung zugutekommen sollen – und damit im Ergebnis eigentlich uns allen. Und wir geben unsere Beobachtungen auch weiterhin gern zu Gehör.

Es kann schon sein, dass klare Botschaften manches Mal etwas leichter fallen, wenn man – wie ich – auf ein nahendes Ende der eigenen Amtszeit blickt. So oder so lautet mein Vorschlag: Seien wir doch alle miteinander wahrhaft demokratisch und regieren nicht nur ein bisschen mit – und lassen Politik nah an uns heran, um gemeinsam kreativer und origineller zu werden.

MATTHIAS KLEINER

ist seit 2014 Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Zuvor war er von 2007 bis 2012 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Von 1976 bis 1982 studierte Matthias Kleiner Maschinenbau an der Universität Dortmund, wo er 1987 promoviert wurde und 1991 auch die Habilitation im Fach Umformtechnik erlangte.

Weitere Folgen seiner Kolumne Nur so ein Vorschlag ... finden Sie hier.

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