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Frederik Iden besucht die 10. Klasse des Gymnasiums Raabeschule in Braunschweig – und hat gemeinsam mit seinem Mitschüler Florian Schwarz beim Bildungswettbewerb der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Leibniz-Forschungsmuseen kürzlich den ersten Platz belegt. In ihrem Video-Projekt sind sie der Frage nachgegangen, wie sich die Auswirkungen der Globalisierung in der Modeindustrie zeigen. Wir haben Frederik gefragt, zu welchem Ergebnis sie gekommen sind, warum das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte und welche Rolle Forschungsmuseen dabei spielen könnten.

LEIBNIZ Frederik, warum hast Du am Bildungswettbewerb teilgenommen, wie hast Du davon mitbekommen?

FREDERIK IDEN Unsere Erdkundelehrerin, Frau Mügge, ist darauf aufmerksam geworden und hat uns gefragt, ob wir nicht Lust hätten, am Wettbewerb teilzunehmen. Als Klasse haben wir dann an ganz verschiedenen Projekten gearbeitet, Florian und ich haben uns für das Thema »Auswirkungen der Globalisierung auf die Modeindustrie und ihre Folgen« entschieden. Da wir Anfang des Schuljahres noch Wechselunterricht hatten, war das Projekt dann auch gleich ein Ersatz für eine Klausurleistung.

Warum habt Ihr gerade dieses Thema gewählt, was interessiert Dich daran?

Das Thema des Wettbewerbs lautete ja »Eine Welt in Bewegung«, wobei es letztendlich um den Einfluss der Globalisierung gehen sollte. Ich musste zunächst an zwei Kunstrichtungen denken, für die ich mich schon lange interessiere: Mode und Design, aber auch Architektur. Florian und ich haben uns dann für die Modeindustrie entschieden, weil die Frage der Nachhaltigkeit für uns beide sehr wichtig ist. Außerdem hatte ich kurz zuvor eine ARTE-Doku dazu angeschaut und auch sonst ist das Thema Mode in meinem Alltag sehr präsent.

Frederik Iden
Frederik Iden hat zusammen mit...
Florian Schwarz
... Florian Schwarz am Bildungswettbewerb teilgenommen.

Du nähst Kleidung auch selber. Hast Du dich auch deshalb für das Thema entschieden?

Mit elf, zwölf Jahren habe ich angefangen, mich für das Nähen zu interessieren, das ging vor allem über Social Media los, über Videos bei YouTube und so weiter. Irgendwann wollte ich selber etwas gestalten und nähen und dann hat mir meine Mutter, die in ihrer Freizeit auch gerne näht, die Grundlagen beigebracht. Mittlerweile nähe ich immer wieder Kleidungsstücke, denn ich mag die Gestaltungsfreiheit. Das hat auch mein Interesse an der ganzen Modeindustrie geweckt und an der Frage, inwiefern Mode einen Einfluss darauf hat, wie wir sind und uns verhalten, aber auch dafür wie Kleidung gestaltet und verkauft wird.

Was nähst Du denn so?

Zum Beispiel das T-Shirt, das ich gerade anhabe. Ich möchte bald auch noch eine Sweatshirt-Jacke nähen und ich habe Stoff für zwei weitere T-Shirts, weil dieses hier langsam ein bisschen kaputt geht. Ansonsten habe ich mir eine Tasche genäht, eine Jeans, kurze Hosen, eine Cordhose ... Irgendwann will ich auch mal ein bisschen kompliziertere Sachen nähen und probiere einfach ganz viel aus.

Wie wählst Du deine Stoffe aus? Achtest Du darauf, dass sie nachhaltig sind?

Das ist wirklich ein Problem. Ich kaufe Stoffe und Kleidungsstücke am liebsten direkt im Laden, weil ich gerne ausprobieren möchte, wie sich die Sachen anfühlen. Ich versuche, ökologisch und nachhaltig produzierte Stoffe zu finden, aber oft sind Siegel wie Oeko-Tex nicht unbedingt aussagekräftig und letztendlich doch eine Form von Greenwashing. Denn häufig wird nur die erste Instanz geprüft und auch da sind die Regelungen noch recht locker. Es gibt große nachhaltige Modeunternehmen wie »ARMEDANGELS«, die eigene Stofffabriken haben oder die Qualität der Stoffe selbst überprüfen können. Aber bei den Stoffen von der Stange kann man das leider schwer nachverfolgen, es fehlt einfach die Transparenz. 

Das Video zum Gewinnerprojekt finden Sie hier auch in voller Länge!

Was hat Eure Recherche für den Wettbewerb ergeben: Wie hängen Modeindustrie und Globalisierung zusammen?

Die Kleidungsindustrie agiert seit jeher sehr global. Und Ausbeutung – das ist uns bei unseren Recherchen zur Geschichte besonders deutlich geworden – hat dabei schon immer eine Rolle gespielt, zum Beispiel durch die Sklavenarbeit auf den Baumwollplantagen. Da ich politisch sehr interessiert bin, finde ich es wichtig, die Leute darauf aufmerksam zu machen, was der Konsum von Kleidung global bedeutet: In anderen Teilen der Welt werden Menschen in Fabriken ausgebeutet und tragen teilweise sogar körperliche Schäden davon, um unsere Mode zu produzieren. Das Globale bringt also immer auch Nachteile mit sich.

Denn unser Kleidungskonsum ist nur ein Stein in einer ganzen Kettenreaktion.

Genau. Es ist einfach wichtig, sich zu fragen: Wenn dieses T-Shirt drei Euro kostet, wie viel haben denn dann die Arbeiter damit verdient, wie sollen sie überhaupt davon leben? In unserem Video für den Wettbewerb haben wir versucht, rüberzubringen, wie dieses ganze System funktioniert.

Wie könnten die Schattenseiten der Modeindustrie mehr Aufmerksamkeit bekommen?

Viele Menschen realisieren erst, dass es anderen Leuten schlecht geht, wenn es ihnen selbst schlecht geht oder wenn sie die Auswirkungen einer fehlgeleiteten Industrie selbst spüren können – durch Umweltschäden oder den Klimawandel zum Beispiel. Viele fangen mittlerweile zwar von selbst an, darüber nachzudenken, wie sie nachhaltiger leben können, ich denke aber, dass es sinnvoll wäre, vor allem Schülern eine Art Präventionsprogramm zu geben und sie darüber aufzuklären, welche Auswirkungen der Konsum unserer privilegierten Gesellschaft hat. Für das Klima, aber auch mit Blick darauf, dass andere Menschen unnötig ausgebeutet werden. Ich fände es auch wichtig, Firmen zu fördern, die versuchen, nachhaltiger zu agieren und fairere Produktionsbedingungen zu schaffen. Wenn die Nachfrage größer wird, könnten auch so große Ketten wie H&M auf nachhaltigere Alternativen umsteigen.

Die selbstgenähte Cordhose von Frederik Iden
Diese Cordhose hat Frederik selbst genäht.

Denkst Du, dass Museen wie die Leibniz-Forschungsmuseen, die den Bildungswettbewerb mitorganisiert haben, helfen könnten, ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen?

Ich glaube, dass Museen durchaus die Möglichkeit haben, auf das Problem aufmerksam zu machen, gerade hinsichtlich der Materialkunde und der Geschichte der Kleidung. Sie könnten zum Beispiel zeigen, wie die globalen Netzwerke der Kleidungsproduktion zusammenhängen und wie sie entstanden sind. Museen könnten uns so dazu anregen, unser Konsumverhalten zu hinterfragen. Aber letztendlich muss das Umdenken immer bei den Menschen selber passieren.

Wie könnte man das Thema im Museum zum Beispiel präsentieren, hast Du eine Idee?

Ich könnte mir gut vorstellen, dass es gerade für jüngere Leute gut wäre, wenn sie es interaktiv lernen würden. Es wäre schön, wenn man im Museum verschiedene Materialien anfassen kann, um etwas über die Geschichte der Stoffindustrie und über nachhaltige Stoffe zu lernen. Sehr cool fände ich es auch, zum Beispiel mit Videoinstallationen eine Art Raum zu erstellen, in den sich Besucherinnen und Besucher reinsetzen können, um mit den Sinnen zu erfahren, wie es sich anfühlt, in einer engen Textilfabrik zu arbeiten. Auch wenn man dort natürlich nicht 14 Stunden sitzen würde, könnte man ein Gefühl dafür bekommen, wie sehr die Leute, von denen viele trotz ständiger Arbeit in Slums wohnen müssen, unter so schlechten Arbeitsbedingungen leiden. 

Wie seid Ihr bei Euren Recherchen vorgegangen? Habt Ihr wissenschaftliche Quellen genutzt?

Wir haben uns viele Publikationen und wissenschaftliche Texte zur Geschichte und zu den Arbeitsbedingungen durchgelesen. Das war teilweise sehr kompliziert, da die meisten auf Englisch verfasst sind und einige komplizierte Vokabeln dabei waren. Durch Dokus, ein Buch zu fairer Mode und Ausstellungstexte sind wir außerdem auf verschiedene interessante Leute gestoßen, und haben Interviews mit Designerinnen von nachhaltigen Modelabels und einem Wissenschaftler geführt.

Was hat Dich an Eurem Projekt besonders fasziniert? Gibt es etwas was Dich überrascht hat?

Das Recycling-Thema hat mich überrascht. Wenn man sich wirklich damit beschäftigt, sieht man, was es für Problematiken damit gibt. Ein Kleidungsstück kann zwar recycelte Materialien enthalten, besteht aber eben nicht aus wiederverwerteter Kleidung. Denn es ist im Moment quasi unmöglich, einen Stoff zu einem Stoff zu recyceln. 

Welche Rolle sollte Wissenschaft aus Deiner Sicht denn allgemein spielen, wenn es um ein Thema wie die Kleidungsindustrie geht?

Für mich hat die Wissenschaft die große Aufgabe, Ideen oder Herangehensweisen aufzuzeigen, wie die Kleidungsindustrie nachhaltiger agieren könnte. Sie sollte Forschung dazu betreiben, wie neue, nachhaltigere Materialien hergestellt werden können, oder wie man Textilien recyceln und wiederverwenden kann. Auch können durch wissenschaftliche Daten historische Zusammenhänge verständlich werden. Wissenschaft ist gesellschaftlich sehr wichtig, um Vorschläge zu machen und Innovationen zu fördern, damit die Welt insgesamt nachhaltiger und besser wird.

DER WETTBEWERB

Um uns herum ist viel in Bewegung: Menschen, Tiere, Güter, Wissen, Krankheitserreger – um nur einige Beispiele zu nennen. In ihrem Aktionsplan widmen sich die acht Leibniz-Forschungsmussen deshalb dem Thema »Eine Welt in Bewegung«. Sie entwickeln Formate für Austausch und Dialog und wollen dabei auch zur Mitgestaltung von Veränderungen anregen. Eines dieser Formate ist der Bildungswettbewerb der Leibniz-Forschungsmuseen und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 bis 12 haben sich darin in den vergangenen Monaten mit den vielfältigen Auswirkungen und Herausforderungen der Globalisierung auseinandergesetzt. Sie beschäftigten sich mit Fragen zur Globalisierung in ihrem eigenen Alltag, forschten nach der Herkunft von (Museums)Objekten oder erarbeiteten, wie das Museum der Zukunft aussehen könnte. Insgesamt sind 56 spannende Projekte entstanden – präsentiert in Videos, Podcasts oder auch Kurzfilmen. Die prämierten Projekte und weitere Informationen zum Wettbewerb finden Sie hier.

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