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Im Epilog verkehren wir den Schwerpunkt »Räume« in sein Gegenteil. Weitere Epiloge finden Sie in der Übersicht.

Unser Leben fußt auf einem großen Missverständnis: Wir glauben, dass der Raum für all unser Streben auf Erden unendlich ist. Dabei ist unser Planet nur eine winzige blaue Murmel in einem winzigen Sonnensystem in den unendlichen Weiten und Galaxien des Universums. Menschliches Leben ist darauf nur unter ganz besonderen Bedingungen möglich – und die drohen wir gerade unumkehrbar aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mich treibt deswegen seit jeher die Frage an: In welchem Handlungsraum kann die Menschheit sich auch in Zukunft sicher auf der Erde bewegen? 2007 lud ich rund 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen ein, mit mir die Antwort darauf zu suchen. Damals gab es drei große wissenschaftliche Erkenntnisse: Erstens, dass wir Menschen so viel Druck auf den Planeten ausüben, dass wir unsere eigene geologische Epoche werden: das Anthropozän. Zweitens, dass es Kipppunkte für große Systeme wie Regenwälder oder Meeresströmungen gibt, deren Überschreiten sie unwiederbringlich verändert. Und drittens, dass alles auf der Erde miteinander verbunden ist und sich Veränderungen gegenseitig verstärken können. Für mich war es der natürliche nächste Schritt, auf diesen Erkenntnissen basierend, die Grenzen für unseren Einfluss auf die Erde auszuloten. Im großen Team identifizierten wir neun planetare Grenzen und stellten fest: Vier haben wir bereits überschritten – beim Klimasystem, der biologischen Vielfalt, dem Wandel der Bodennutzung und den globalen Phosphor- und Stickstoffkreis-läufen bewegen wir uns im gefährlichen Bereich. Das hat Auswirkungen auf die Stabilität des gesamten Erdsystems, also auch auf die anderen fünf Grenzen: den stratosphärischen Ozonabbau, die atmosphärische Aerosolbelastung, die Versauerung der Meere, den Süßwasserverbrauch und die Belastung durch vom Menschen geschaffene Substanzen. Wenn etwa der Amazonasregenwald austrocknet, verstärkt das nicht nur den Klimawandel, sondern es reduziert auch drastisch die biologische Vielfalt. Es muss also unser oberstes Ziel sein, die Überschreitung solcher Grenzen zu verhindern. Das große Drama: Uns läuft die Zeit davon, um noch rechtzeitig die Weichen zu stellen. Das entscheidende Jahrzehnt hat begonnen, unser jetziges Handeln bestimmt, wie – und schlimmstenfalls ob – kommende Generationen die Möglichkeit auf ein gutes und sicheres Leben auf der Erde haben. Die Einhaltung der neun planetaren Grenzen garantiert uns eine sichere Zukunft, und ich habe große Hoffnung, dass wir das schaffen können.

JOHAN ROCKSTRÖM ist Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, eines Leibniz-Instituts, und Professor für Erdsystemforschung an der Universität Potsdam.

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