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Alles wird knapper: fruchtbares Land, sauberes Wasser. Viele Meeresregionen sind überfischt oder stehen kurz davor. Deshalb müssen wir in Zukunft schonender mit unseren Ressourcen umgehen. Ich komme aus Berlin, und auch im Umland der Stadt, in Brandenburg, kommt im Sommer häufiger die Frage auf: Haben wir in Zukunft noch genügend Wasser für die Produktion von Lebensmitteln?

Mit meiner Forschung kann ich direkt etwas zur nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion der Zukunft beitragen. Ich forsche an der sogenannten Aquaponik, das ist ein ressourcenschonendes Verfahren zur Erzeugung von von Lebensmitteln. Man züchtet Fische und Pflanzen in einer Anlage. Und zwar so, dass sie voneinander profitieren. In meiner Forschung kombiniere ich unter anderem Buntbarsche oder Karpfen mit Salaten oder Tomaten. Die Pflanzen werden dabei ebenfalls im Wasser, also ohne Erde, angebaut.

Aquaponikanlagen sind sehr effizient. Man kann mit weniger Wasser mehr Nahrung produzieren. Eine Aquaponikanlage verbindet den Fischtank mit dem Wasserbehälter für die Pflanzen. Die Kreislaufanlage für die Fischproduktion und die Hydroponikanlage für die Pflanzenproduktion sind schon für sich genommen wassersparend. Kombiniert man sie, spart man sogar noch mehr Wasser – und dazu auch noch Dünger und CO2. Das Abfallprodukt der einen Anlage dient der anderen als Ressource: Bakterien wandeln die potenziell giftigen Ausscheidungen der Fische in nährstoffreichen Dünger für die Pflanzen um. Die nehmen die Nährstoffe über ihre Wurzeln auf und reinigen dabei das Abwasser aus den Fischtanks. Je mehr man in Kreisläufen denkt, je mehr man recycelt, desto besser ist das für die Umwelt.

In Aquaponikanlagen bist du nie nur Gärtner, sondern immer auch Techniker.

HENDRIK MONSEES

LENA BAMMERT
ist Schülerin der 60. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule. Sie wurde nach einer Tatort-Kommissarin benannt, wollte sich aber nicht auf die Aufklärung von Mordfällen festlegen. Studierte daher sowohl Stichprobentheorie als auch Hate Speech und Liebesfilme.

Ursprünglich komme ich aus der Meeresbiologie. Am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) habe ich viel mit Salzwasser gearbeitet, auch mit Salzwasser-Aquakultur. Es ging uns dabei zum Beispiel um die künstliche Vermehrung von Korallen und Clownfischen und die Produktion von Mikroalgen und Zooplankton, auch damals schon in geschlossenen Kreislaufanlagen. Mit Salzwasser war allerdings immer alles ein bisschen komplizierter – schon bevor man die Fische überhaupt einsetzen konnte. Man muss das Wasser anmischen und die Salzkonzentration in den Einzelsystemen ständig kontrollieren und angleichen.

Als ich am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) dann nur noch mit Süßwasser arbeitete, ging alles viel einfacher. Im Prinzip kannst du einen Wasserhahn aufdrehen, die Becken füllen, Temperatur und Sauerstoffgehalt checken und loslegen. Ich hatte vorher auch mit der Pflanzenproduktion nicht so viel zu tun, die finde ich jetzt ebenfalls spannend. In Aquaponikanlagen bist du dabei nie nur Gärtner, sondern immer auch Techniker: Beim erdlosen Anbau von Pflanzen braucht man viele Pumpen, Steuerungsgeräte und Timer, die ich aufeinander abstimmen muss.

In meiner Forschung untersuche ich die Anlagen und ihre Nährstoffkreisläufe und versuche, sie weiter zu optimieren. Sind die Nitratwerte bedenklich für die Fischgesundheit? Wie wird das Phosphat im Schlamm, der bei der Produktion von Fischen anfällt, am besten für die Pflanzen verfügbar gemacht? Ich habe auch die Vorteile entkoppelter Aquaponiksysteme untersucht. In einer klassischen gekoppelten Anlage ist es schwer, für Pflanzen und Tiere optimale Bedingungen herzustellen, weil das Wasser aus der Fisch- direkt in die Gemüsezucht und wieder zurück fließt. Bei entkoppelten Systemen sind Pflanzen und Fische voneinander getrennt, sodass man den pH-Wert und die Nährstoffzusammensetzung des Wassers für beide feiner austarieren kann.

»DJS TRIFFT LEIBNIZ«

Der Text über Hendrik Monsees’ Forschung ist im Rahmen des Workshopformats »DJS trifft Leibniz« entstanden, das wir seit Anfang 2021 regelmäßig mit der Deutschen Journalistenschule organisieren. Die Idee ist einfach: 15 Journalistenschülerinnen und -schüler – eine Klasse der DJS – treffen auf 15 junge Forschende von Leibniz-Instituten. Gemeinsam üben sie Interviewsituationen: Wie bereitet man ein Interview mit einer Wissenschaftlerin vor? Wie erzählt man Journalisten so von seiner Forschung, dass keine Missverständnisse entstehen? Wie tickt die jeweils andere Seite? Außerdem diskutieren sie mit renommierten Wissenschaftlerinnen und werten die Interviews mit erfahrenen Wissenschaftsjournalisten aus. Am Ende landen die Texte in unserem Onlinemagazin – wo ihr sie ab sofort regelmäßig in der Rubrik »Die Welt in 10 Jahren« lesen könnt.

Bei unseren Untersuchungen arbeiten wir häufig mit Kleinanlagen, in deren Becken nur wenige Fische gehalten und wenige Pflanzen gezogen werden. In diesen Anlagen steht das Erforschen und Lernen im Vordergrund, denn unter ökonomischen Gesichtspunkten wären sie zum Scheitern verurteilt. Kommerzielle Großanlagen müssen effizient sein, um mit der Konkurrenz auf dem Nahrungsmittelmarkt mithalten zu können. Das heißt zum Beispiel, dass die Besatzdichten so angepasst werden müssen, dass die Fischproduktion optimal ausgenutzt wird – und viel mehr Technik und Fläche für die Gemüseproduktion benötigt wird.

Ich kenne nur wenige Anlagen, die wirklich kommerziell betrieben werden. Ob sie langfristig rentabel arbeiten können, lässt sich so pauschal noch nicht sagen, denn sie verbrauchen im Vergleich zur konventionellen Lebensmittelproduktion sehr viel Energie. In Deutschland sind auch die hohen Betriebskosten, etwa für Arbeitskräfte oder das Fischfutter, noch ein Problem. Viele Produzenten scheuen sich deshalb, in die Aquaponik einzusteigen, auch, weil sie bislang nicht subventioniert wird – anders als die gesamte europäische Landwirtschaft. Subventionen wären aus meiner Sicht aber ein guter Weg, um Chancengleichheit herzustellen und Anreize zu setzen, solche Anlagen zu betreiben. Auch aus gesellschaftlicher und ökologischer Sicht wären sie sinnvoll – schließlich produzieren Unternehmen, die mit Aquaponik arbeiten, Fisch und Salat nachweislich klima- und ressourcenschonender als konventionelle Betriebe.

Ich glaube, in zehn Jahren wird sich eine ganze Menge getan haben, und in Deutschland wird es hoffentlich mehrere große Anlagen geben. Unsere Lebensmittel werden wir aber auch dann nicht hauptsächlich aus der Aquaponik beziehen – dafür essen wir im Vergleich zu anderen Ländern einfach zu wenig Fisch.

Manchmal werde ich gefragt, was wir eigentlich mit den Lebensmitteln machen, die wir in unserer Forschung produzieren. Wir stellen schon mal Wäschekörbe voll mit Tomaten in die verschiedenen Institutsgebäude; da können sich alle so viel mit nach Hause nehmen, wie sie wollen. Meist machen wir aber kleine Experimente, bei denen wenig übrig bleibt. Bei meiner Doktorarbeit war das anders: Für eine Studie mussten wir realistische Produktionsbedingungen schaffen – und am Ende hatte ich anderthalb Tonnen Fisch. Wir haben ihn dann in kleinen Mengen verschenkt. Das war ja toller Fisch!

HENDRIK MONSEES ist Biologe und Post-Doc am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. An dem Institut am Berliner Müggelsee forscht er unter anderem zu Aquaponiksystemen, Aquakultur und Nährstoffflüssen. Seine Forschung führt ihn derzeit außerdem immer wieder ans Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Großbeeren.

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