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Sie werden sich hassen lernen und gegenseitig ruinieren.

Im kalten Spätherbst des Jahres 1863 sitzen in Berlin zwei junge Männer in einem Café beisammen, zwei Amerikaner auf Studienreise in der Hauptstadt Preußens, denen die Welt gerade vorkommen muss, als warte sie nur darauf, von ihnen erobert zu werden. Es ist noch nicht lange her, da hat der Naturforscher Charles Darwin die unglaubliche These aufgestellt, dass es womöglich kein Gott gewesen ist, der sieben Tage brauchte, um die Welt zu erschaffen und dann war sie fertig. Sondern, dass sämtliches Leben sich aus Leben entwickelt und dabei ständig verändert hat. Sie müssten nur, daran glauben die beiden jungen Männer in Berlin, tief genug und an der richtigen Stelle graben. Dann würden sie Beweise für die Theorie der Evolution finden. Dafür, dass etwa Reptilien und Vögel Urahnen hatten, die vollkommen anders aussahen als die, die heute auf der Erde leben.

Die beiden jungen Männer studieren das gleiche Fach: Paläonotlogie. Sie träumen davon, jegliche Vorstellungen umzustoßen, wie die Welt auf die Wesen blickt, die einst auf ihr lebten. Othniel Charles Marsh, damals im Berliner Café gerade 32 Jahre alt, und der 23-jährige Edward Drinker Cope wollen Fossilien entdecken: Tiere und Pflanzen, von deren Existenz die Welt noch nicht einmal etwas ahnt. Zu diesem Zeitpunkt kennt man nämlich erst ein einziges vollständiges Skelett eines Dinosauriers. Die Paläontologie wandelt sich gerade langsam von einem Hobby reicher Amateure zu einem ernstzunehmenden Wissenschaftszweig. Cope und Marsh träumen in Berlin davon, die ersten Stars dieses neuen Fachs zu werden.

Es wird ihnen gelingen. Sie werden Fossilien finden und sie zu Dinosauriern zusammensetzen, die einmal jedes Kind kennen wird. Dinos, die eineinhalb Jahrhunderte nach ihrem Treffen in einem Berliner Café auf der Leinwand aus dem »Jurassic Park« ausbrechen: Apatosaurus, Triceratops, Stegosaurus. Aber ihr Erfolg wird einen Preis haben, ihre Freundschaft wird brechen. Sie werden Rivalen werden, sie werden sich Spione und Diebe auf den Hals hetzen. Sie werden sich verraten und öffentlich demütigen. Sie werden sich hassen lernen und gegenseitig ruinieren.

Die Paläontologen Othniel Charles Marsh ... Foto WIKIMEDIA COMMONS
... und Edward Drinker Cope. Foto WIKIMEDIA COMMONS

Während die beiden im kalten Spätherbst Berlins in einem Café sitzen, bekämpfen sich in ihrer Heimat, den USA, gerade die Nordstaaten und die Konföderierten im Amerikanischen Bürgerkrieg. Cope und Marsh sind auch in Europa, um vor dem Kriegsdienst zu fliehen. Besser gesagt: Ihre Familien ermöglichten ihnen, sich nicht mit toten Amerikanern in der Gegenwart beschäftigen zu müssen. Sondern mit vor Millionen von Jahren gestorbenen Tieren und Pflanzen. Und damit, fast zwangsläufig, auch miteinander.

Edward Drinker Cope, Sohn eines wohlhabenden Großgrundbesitzers, gilt seinen Eltern schon früh als Wunderkind. Bei seinen ersten Besuchen in den Museen von Philadelphia interessiert er sich besonders für Fossilien. Vor allem das Skelett eines Mammuts fasziniert ihn. Als er acht Jahre alt ist, sieht er einen Ichthyosaurus in der Academy of Natural Science, das erste komplett rekonstruierte Skelett eines Dinosauriers. Mit 18 fängt er an, in der Academy auszuhelfen, bald lernt er Joseph Leidy kennen, den Entdecker eben jenes Ichthyosaurus. Leidy erkennt die Ambitionen und das Talent von Cope. Er wird dem jungen Mann ein Mentor, Cope selbst wird ein Getriebener. Einer, den die Gesellschaft normaler Menschen langweilt, der Spaß genauso wie Vorlesungen für Verschwendung wertvoller Zeit hält, die er besser im Labor oder auf Ausgrabungen verbringen möchte. Wenigstens dieser junge Mann im Café in Berlin – der kommt ihm nicht so öde wie die meisten vor.

Othniel Charles Marsh, geboren in eine arme Bauernfamilie im Bundesstaat New York, ist von seinem reichen Onkel nach Berlin geschickt worden, der ihm zuvor schon den Besuch der besten Schulen und Universitäten ermöglicht hatte. Von der Phillips Andover School, einer der besten Highschools des Landes, führt sein Weg im Jahr 1860 nach Yale, wo er ein Studium der Geologie beginnt. Im Rahmen dieses Studiums absolviert Marsh ein Semester in Berlin, er belegt Chemie und Mineralogie. Er ist zuvor schon in Heidelberg gewesen, bei Robert Wilhelm Bunsen, dem Namensgeber für den Brenner. Er hat Forscher in Dresden, Homburg und Wiesbaden und Breslau besucht. Angekommen in Berlin beeindruckt ihn, wie sie dort die Skelette von Vögeln präsentieren: Keine Knochen in staubigen Vitrinen, sondern zusammengesetzte Skelette, die von der Decke hängen. Präsentiert, als würden sie gleich zum Sturzflug ansetzen. Während dieses Aufenthalts lernt er Cope kennen. Auch wenn es aus der Rücksicht ein wenig nach Schicksal aussieht. Es ist ein Zufall, der sie zusammenführt: Sie sind beide Amerikaner und interessieren sich für Dinosaurier.

Sie sind beide Amerikaner. Und sie interessieren sich beide für Dinosaurier.

Schädel eines von Othniel Charles Marsh ausgegrabenen Triceratops. Foto: WIKIMEDIA COMMONS
Ausgrabungsstätte von Edward Cope. Foto WIKIMEDIA COMMONS

Die großen Entdeckungen dieser Zeit werden, mit Ausnahme des Telefons, noch allesamt in Europa gemacht: der Kunstdünger, die Vorläufer des Automobils, die Gesetze der Thermodynamik. Bei der Paläontologe soll es nun zum ersten Mal andersherum sein: Forscher aus den Vereinigten Staaten Amerikas sollen es endlich auch einmal in einem Fach zur Weltspitze bringen. Dafür werden die beiden Forscher nicht nur von privaten Sponsoren, sondern auch reichlich mit staatlichen Mitteln aus den Budgets ihrer Universitäten ausgestattet.

Marsh bereits vor seinem Studium in Berlin erste wissenschaftliche Texte in den einschlägigen Fachzeitschriften veröffentlicht. Zurück in Amerika schmiedet er mit seinem reichen Onkel einen verwegenen Plan: Er will die erste Professur für Paläontologie ergattern. Ausgerechnet in Yale, damals schon eine der besten Universitäten der Welt. Was ihm dabei enorm hilft: Marsh bringt, seinem reichen Onkel sei Dank, ausreichend Kapital mit, um den Lehrstuhl auszustatten.

Außerdem baut Marsh seit seinem ersten Besuch in Europa ein Netzwerk auf. Immer wieder überquert er den Atlantik, besucht so gut wie jede europäische Hauptstadt und stellt sich gut mit den Museumsdirektoren, etwa dem Leiter der Geologischen Sammlung des British Museum in London. Gerne revanchieren die Kollegen vom alten Kontinent sich für die netten Besuche und schwärmen bei der Universitätsleitung in Yale vom ambitionierten jungen Forscher. Im Juli 1866 ist es soweit: Marsh, mittlerweile 35 Jahre alt, wird in Yale der erste Professor der Vereinigten Staaten für Paläontologie.

Wer wird das Erbe der Legende des Fachs antreten: Marsh oder Cope?

Edward Drinker Cope hingegen macht nach seiner Rückkehr aus Berlin nie einen universitären Abschluss. Er bleibt, was er schon immer war: ein Mann der Ausgrabungen und Labore. Auch seine Funde werden in Fachzeitschriften publiziert, und fünf Jahre nach ihrem Treffen in Berlin gelingt ihm der erste Achtungserfolg: Cope setzt aus verschiedenen Funden seinen ersten kompletten Dinosaurier zusammen: Laelaps aquilinus,

Ein zweibeiniger Fleischfresser, gut sieben Meter groß, eine Tonne schwer – mit einem Maul voller Reißzähne. Eine Art kleiner Bruder des berühmten Tyrannosaurus.

Cope und Marsh halten sich als Brieffreunde über ihre Funde auf dem Laufenden. Nichts deutet darauf hin, dass sie einander den Erfolg missgönnen. Im Gegenteil: Manchmal graben sie gemeinsam nach alten Knochen. Einmal ehrt Cope seinen Kollegen sogar, indem er ein amphibisches Fossil nach ihm benennt: Pytonius marshii. Der revanchiert sich und tauft eine Urzeitschlange, die er in New Jersey ausgräbt: Mosasaurus copeanus.

Für Streit gibt es erst einmal auch wenig Grund. Denn es ist keineswegs so, dass es zu wenig Knochen für zwei Forscher gibt. Es gibt mehr als genug für den ganzen Forschungszweig. Aber egal, wie viel Platz es in der Breite gibt. An der Spitze kann es nur einen geben. Und der ist gerade dabei abzutreten. Joseph Leidy, Copes Mentor und Pionier der Paläontologie, kündigt an, sich aus der Wissenschaft zurückzuziehen. Er ist alt und müde, und er sieht, dass da zwei sind, die sein Erbe antreten könnten. Die Frage ist nur, wer den alten Meister beerben wird: Marsh oder Cope?

Fossile Schädel, gefunden in Oregon – und 1884 von Edward Cope veröffentlicht . Foto WIKIMEDIA COMMONS
Edward Cope mit dem Skelett von Camarasaurus. Foto WIKIMEDIA COMMONS

Wenig später erhält Edward Drinker Cope eine gigantische Sendung mit der Post. Darin gut 100 Knochen, die ein Chirurg der Armee in Kansas für ihn gesammelt hat. Wirbel, Hüfte, Schulter, Gliedmaßen und dazu, eingeschlagen in Zeitungspapier und Sackleinen, die eigentliche Sensation: ein gut erhaltener Schädel!

Cope vermutet, dass er einen Schatz vor sich hat. Jemand wie er, der alle Anatomie-Kurse seines Mentors Joseph Leidy, dieser Legende des Fachs, belegt hat, weiß in etwa, welcher Knochen wo hin gehören könnte. Dennoch gibt es bei Skeletten von vor Millionen Jahren ausgestorbenen Spezies keine Bauanleitung. Cope muss sich auf seinen Instinkt verlassen. Auf das, was ihm richtig erscheint. So setzt er aus Knochen ein knapp zehn Meter langes Skelett zusammen. Es hat einen sehr langen Schwanz und einen sehr kurzen Hals, auf den er den Schädel setzt. Als Cope fertig ist, tauft er seinen neuen Dinosaurier Elasmosaurus.

Sofort schreibt er einen Artikel, schickt ihn in die Redaktion einer Fachzeitschrift und, womöglich um gemeinsam zu feiern, lädt er einen guten alten Freund zu sich ein, dem er seinen Dinosaurier zeigen möchte: Othniel Charles Marsh.

Doch als sich die beiden in Philadelphia treffen, in Copes Labor, fällt Marsh am Skelett etwas auf. Etwas, das nicht stimmen kann. Der Kopf – der ist doch am falschen Ende! Was Cope für den Hals hielt, da ist sich Marsh unumstößlich sicher, das ist in Wirklichkeit der Schwanz des Tieres.

Die beiden geraten in Streit und Marsh schlägt vor, ein Schiedsrichter solle entscheiden, wer Recht hat: Wie es denn mit Joseph Leidy wäre, Copes ehemaligem Mentor, der kurz vor der Rente steht und dessen Nachfolge als Nummer eins im Fach noch nicht entschieden ist? Leidy fertigt ein Gutachten an, in dem er wird zugeben müssen: Marsh hat Recht. Der Schädel sitzt tatsächlich am falschen Ende.

Für Marsh ist es ein Triumph wie es gleichermaßen für Cope eine Blamage ist. Eine doppelte sogar. Erstens hat sein Mentor mitbekommen, wie schlampig er arbeitet. Zweitens ist da ja noch der Aufsatz in der Fachzeitschrift. Darin behauptet Cope großmundig, eine neue Art entdeckt zu haben. Er versucht, die restlichen Exemplare zu kaufen, damit die Sache bloß niemand mitkriegt. Es ist zu spät. Cope muss sich in der darauffolgenden Ausgabe selbst korrigieren. Den wenigen Forschern, die es nicht aus der Presse erfahren, erzählt es Marsh genüsslich auf Konferenzen: Seht euch diesen Idioten an, wie er da in Philadelphia seine Fantasiewesen zusammensetzt!

Cope vermutet, dass er einen Schatz vor sich hat. 

Copes falsche Rekonstruktion von Elasmosaurus aus dem Jahr 1869. Foto WIKIMEDIA COMMONS
Diese Zeichnung von Edward Cope zeigt zwei Elasmosaurus mit vertauschtem Hals und Schwanz. Veröffentlicht wurde sie 1869 im Magazin »The American Naturalist«. Foto WIKIMEDIA COMMONS

Die Freundschaft ist zerbrochen. Aus Wettbewerb wird Hass.

Womöglich tut Marsh das, weil er ein Mensch ist, für den der eigene Erfolg über allem steht. Womöglich ist er einfach nur pragmatisch. Marsh weiß, dass jeder Dollar staatlicher Subvention für die Paläontologie, der Cope in Philadelphia entgeht, wahrscheinlich bei ihm und seinem Lehrstuhl in Yale landet.

Die Freundschaft ist zerbrochen. Doch wann genau aus Rivalität das wird, was man einmal »Bone Wars«, »Knochenkriege«, nennen wird, wann aus Wettbewerb Hass, ist nicht endgültig belegt.

Vielleicht wenig später in Bridger Basin, Wyoming, als Marsh ein Ausgrabungsgebiet als exklusiv seines annektiert – obwohl es unter Paläontologen üblich ist, mit Kollegen zu teilen. Vielleicht als die beiden beginnen, sich gegenseitig auszuspionieren. Als sie einander die Arbeiter abwerben. Oder sie bestechen. Marsh soll sogar falsche Knochen auf Copes Ausgrabungen versteckt haben: aus Putz nachgebaute Körperteile, von denen er wusste, dass Cope exakt noch diese fehlten. Wahrscheinlich hoffte er, dass Cope noch einmal so dumm sein würde, ein Skelett falsch zusammenzusetzen. Vielleicht lernen sie sich auch wegen des ersten gehörnten Dinosaurier vom Judith River in Montana hassen, den Marsh als Ceratops montanus benennen wird – dabei ist es Cope, der auf der Ausgrabung die ersten Knochen findet.

Der »American Naturalist«, die Zeitschrift, in der beide ihre wichtigsten Ergebnisse publizieren, räumt ihrer Fehde reichlich Platz ein. Die Geschichte verfängt schon damals: ein junges Forschungsfeld und seine beiden Stars, die sich hassen. Über Monate erscheinen Texte, in denen Cope und Marsh einander größere und kleinere Fehler vorwerfen oder behaupten, einer habe diesen oder jenen Saurier längst vor dem anderen entdeckt.

Marsh macht sich in einem Text insbesondere darüber lustig, dass Cope spekuliert, Dinocerata, eine nashornähnliche Säugetierfamilie, hätte einen langen Rüssel wie ein Elefant haben können! Solche Wesen, wie sie Cope beschreibt, passten für Marsh dann eher in die Welt von Tausendundeiner Nacht.

Cope spekuliert daraufhin, warum Marsh – im Gegensatz zu ihm – nie geheiratet hat. Er nennt ihn nicht normal oder angemessen konstituiert. Cope spielt damit auf die Gerüchte an, Marsh sei homosexuell gewesen.

Als Marsh kurz darauf eine Ausgrabung in Wyoming verlässt und erfährt, dass Cope ihm nachfolgen wird, ordnet er seine Arbeiter an, alles zu zerstören, was übrig ist. Egal, ob darunter womöglich noch ein Schatz ist. Lieber soll der in Staub aufgehen, als seinem Feind in die Hände zu geraten.

Überhaupt scheint Marsh mittlerweile jede gute Sitte der Wissenschaft egal. Als er mal wieder einen Coup braucht, veröffentlicht er einen Artikel, in dem er behauptet, erstmals einen kompletten Brontosaurus rekonstruiert zu haben. Dabei besitzt Marsh gar keinen echten Schädel eines Brontosaurus. Er nimmt einfach einen anderen aus seiner Sammlung, der – fand Marsh – diesem recht ähnlich sein könnte.

Edward Cope's Büro. Foto WIKIMEDIA COMMONS

Mittlerweile graben die beiden auf dem ganzen amerikanischen Kontinent von Oregon, im Norden der USA, bis nach Mexiko. Oftmals an mehreren Orten gleichzeitig. Besonders Cope gibt dafür so viel Geld aus, dass er sein Haus beleihen muss – ohne jedes Mal große Erfolge zu erzielen. In den frühen 1890er Jahren muss er erst sein Labor und später seine Sammlung von Knochen verkaufen. Kurz darauf verlässt ihn seine Frau Annie.

Nach dem Ende seiner Ehe und weil sich seine chronische Erkrankung von Blase und Prostata verschlimmert, greift Cope zu Opiaten. Er verweigert sich Operationen, er traut der modernen Medizin nicht. Lieber versucht er, sich mit Formalin-Spritzen selbst zu heilen. Dass seine Hände ständig zittern, bringt er nicht damit zusammen, dass er selbst in seinen Kakao, den er gerne trinkt, mittlerweile Gin kippt. Auf seinem Krankenbett träumt er noch von einer Knochenhöhle in Port Kennedy in der Nähe seiner Heimatstadt: die schönste, größte und an Fossilien reichste Höhle überhaupt. Cope wird diese Höhle nie besuchen. Er stirbt im Frühling 1897. Mit gerade einmal 57 Jahren.

Zur gleichen Zeit verabschiedet sich Othniel Charles Marsh in Yale in den Ruhestand. Sein Abschiedsgeschenk ist seine Sammlung: 21, zum großen Teil vollständig erhaltene Dinosaurier überlässt er seiner Universität.

Die Beiden hinterlassen Chaos. Aber auch hunderte, bisher unbekannte Dinosaurierarten.

Frei von Arbeit und Besitz reist Marsh noch einmal durch die Welt. Es ist eine Abschiedstournee. Er steht der Delegation der Vereinigten Staaten auf einem internationalen Kongress in Cambridge vor, er verbringt eine Zeit in London, besucht ein letztes Mal die Museen seiner Studienzeit.

Marsh stirbt ziemlich genau zwei Jahre nach Cope. Es ist ein plötzlicher Tod, die Folge einer Lungenentzündung. Zwar stirbt er einsam, ohne Partner oder Kinder, aber aus der ganzen Welt gehen Kondolenzschreiben ein. Aus dem Königlich Mineralogisch-Geologischen Museum in Dresden etwa heißt es: Für Marsh war ein Preis nie zu theuer. Sehr viel besser ließen sich wohl weder die Tragik noch die großen Erfolge seines Lebens zusammenfassen.

Auf das, was Cope und Marsh hinterlassen, blicken Paläontologen heute mit gemischten Gefühlen: Zum einen hinterlassen die beiden nämlich: Chaos. Während sie versuchten, sich zu überbieten, arbeiteten sie immer schlampiger. Es wird eine Generation von Paläontologen brauchen, um hinter ihnen aufzuräumen. Bis heute wissen Forscher nicht mit Sicherheit, ob einige Saurier, die Marsh und Cope vermeintlich entdeckt haben, nur ihrer Fantasie entsprangen. Zum anderen hinterlassen sie einer Welt, die vorher nur eine Handvoll Dinosaurier kennt, ein paar hundert Arten.

Vielleicht trifft es am besten das, was ein Forscherkollege über die beiden schreibt: Sie seien nicht weniger als die beste Unterstützung für die Theorie der Evolution. Der Mann, der das schreibt, ist Charles Darwin höchstpersönlich. Der Mann, der zwei junge Forscher rund vier Jahrzehnte zuvor auf den Gedanken brachte, die Welt der Wissenschaft warte nur darauf, von ihnen erobert zu werden.

HINTERGRUND

Weder Marsh noch Cope hinterließen Memoiren. Den Knochenkrieg haben Wissenschaftler aus Briefen, Tagebucheinträge und Presseartikeln rekonstruiert. Zur Fehde der beiden sind mehrere Monographien erschienen, sie bilden die Grundlage dieses Textes. Außerdem hat Dieter Uhl unseren Autoren bei der Recherche unterstützt. Uhl ist Paläobotaniker und Sektionsleiter für Paläoklima- und Paläoumweltforschung am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Cope und Marsh haben die Wissenschaft befruchtet, sagt Uhl. Durch ihre Konkurrenz haben sie der Paläontologie viel Vortrieb geleistet. Am wichtigsten sei gewesen, dass sie Generationen von Forschern inspiriert hätten, es ihnen nachzutun. Uhl hingegen vergleicht die Arbeit mit Fossilien lieber mit der Science-Fiction-Serie »Star Trek«. Mutig dorthin zu gehen, wo noch kein Mensch zuvor gewesen ist, zitiert Uhl das Intro der Serie. Er selbst reist zwar nicht zu weit entfernten Sterne, sondern viele Millionen Jahre in die Vergangenheit: Das ist aber schon ein wenig wie auf den Mars zu fliegen.

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