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GUNNAR LISCHEID
ist Professor für Landschaftswasserhaushalt an der Universität Potsdam und Co-Leiter der Forschungsplattform »Datenanalyse & Simulation« am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF).

Warum müssen wir über Wasser reden, Herr Lischeid, was macht es zu einem so wichtigen Thema?

GUNNAR LISCHEID Der Mensch besteht zum größten Teil aus Wasser, aber das ist nicht das Problem. Er trinkt auch Wasser, auch das ist mengenmäßig nicht so gravierend. Viel wichtiger ist: Der Mensch nimmt Nahrung zu sich – und die Nahrungsproduktion verbraucht sehr viel Wasser, Pflanzen verdunsten es in sehr großen Mengen. Dieses Wasser ziehen sie normalerweise aus dem Boden, der mehr oder weniger regelmäßig durch Niederschläge aufgefüllt wird. Leider hatten wir in den vergangenen Jahren jedoch den Fall, dass es monatelang nur sehr wenig geregnet hat, gleichzeitig war es trocken und warm. Die Verdunstung war also sehr groß, den Pflanzen ging das Wasser aus.

Inwiefern ist das auch abseits der Landwirtschaft ein Problem?

Es kommt dann auch weniger Wasser ins Grundwasser; die Grundwasserspiegel, aus denen wir letztendlich wieder Trinkwasser gewinnen, sinken. Am Grundwasser hängen auch Seen und Feuchtgebiete, und wenn der Pegel dort sinkt, dann trocknen Moore aus, kleine Seen fallen trocken. Auch große Seen haben in letzter Zeit zum Teil gravierende Absenkungen des Wasserspiegels erfahren.

Wirkt sich auch die Landwirtschaft auf den Grundwasserspiegel aus?

In der Landwirtschaft wird auf jeden Fall Wasser verwendet, das dann nicht mehr für das Grundwasser zur Verfügung steht, weil die Pflanzen es aufnehmen. Das macht der Wald übrigens genauso. In Brandenburg sind das ungefähr 500 der 600 Millimeter, die in normalen Jahren als Niederschläge pro Quadratmeterherunterkommen. Das heißt, fünf von sechs Litern werden von der Vegetation wieder in die Atmosphäre zurückgeschleust, der restliche Teil geht ins Grundwasser.

Wird von dort auch aktiv Wasser entnommen?

Das Wasser aus dem Grundwasser wieder hochzupumpen und in der Landwirtschaft zu verteilen, ist in Deutschland nicht so üblich. In der DDR war die Bewässerung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung noch sehr verbreitet, wurde nach der Wende aber drastisch heruntergefahren, weil das sehr teuer ist. Zu DDR-Zeiten ist auch mehr Wasser aus den Oberflächengewässern genommen worden, aus Quellen und Fließgewässern, die jetzt zunehmend mehr Probleme mit der Wasserführung haben. Das würde allein deshalb heute nicht mehr so gut funktionieren. In Brandenburg werden im landwirtschaftlichen Bereich momentan nur bestimmte Kulturen beregnet, wo die Wasserversorgung besonders wichtig ist, zum Beispiel bei Qualitätskartoffeln für die Chipsproduktion.

In Brandenburg reagiert das Grundwasser sehr sensitiv auf trockene Jahre.

GUNNAR LISCHEID

Ein Portrait des Agraringenieurs Gunnar Lischeid
Foto ANDREAS KRONE/ZALF

Das Gespräch mit Gunnar Lischeid erschien zuerst im querFELDein-Podcast des ZALF.

Das in Kläranlagen aufbereitete Wasser wird nicht wieder in das Trinkwassersystem eingespeist, sondern in Flüsse geleitet. Wäre es eine Idee, es in der Landwirtschaft oder für Industriezwecke einzusetzen?

Ja, diese Idee wird auch schon von vielen verfolgt. In anderen Ländern, in denen die Wasserknappheit noch gravierender ist, beispielsweise in Israel, wird so gut wie jeder Tropfen Abwasser aufwändig gereinigt – deutlich aufwändiger als bei uns – und tatsächlich für Bewässerung verwendet. So etwas in Deutschland einzuführen, würde allerdings bedeuten, dass man erstmal investieren muss, um das Wasser so aufzubereiten, dass man es tatsächlich verwenden kann.

Warum?

Das Wasser, das in den Kläranlagen ankommt, ist ein wahrer Chemikalien-Cocktail. Wasserwerke sind darauf ausgelegt, Nährstoffe und die organische Substanz aus dem Wasser rauszuholen. Aber sie sind nicht explizit darauf ausgelegt, die verschiedenen Spurenschadstoffe auszufiltern: Rückstände von Arzneimitteln oder Bioziden, die an Hausfassaden gegen Algenwuchs eingesetzt werden, aber auch andere Stoffe, die in unseren Häusern verbaut oder aus der Luftfahrt eingetragen werden – und die wir im Trinkwasser nicht haben wollen. Deutschland bezieht sein Trinkwasser fast ausschließlich aus dem Grundwasser, das ist in anderen Ländern anders. Deshalb hat der Grundwasserschutz in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert. Wenn das Wasser irgendwo knapp wird, muss man die Wassereinzugsgebiete ausweiten, neue Einzugsgebiete erschließen, neue Wasserwerke installieren.

Wie schnell helfen solchen Maßnahmen?

Wenn man die Reserven kontaminiert hat, kriegt man das so schnell auch nicht wieder raus. Das kann Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauern. Sorgen machen vor allem jene Stoffe, die schon in sehr geringen Konzentrationen schädliche Wirkungen auf Organismen in Fließgewässern ausüben, aber auch auf den Menschen.

Noch einmal ganz allgemein gefragt: Warum gilt Brandenburg als trockenes Bundesland, warum sind die Grundwasserstände hier besonders niedrig?

Die Grundwasserstände sind gar nicht besonders niedrig; es sind die Niederschlagsmengen! Normalerweise haben wir in Brandenburg im Schnitt um die 600 Millimeter im Jahr, von denen 100 Millimeter bleiben, nachdem die Pflanzen sich geholt haben, was sie brauchen. Aber die vergangenen Jahre waren nicht normal.

Wie ist das in anderen Regionen?

Im Allgäu zum Beispiel fallen um die 1.500 Millimeter und mehr pro Jahr. Da kommt also das Dreifache runter. Die Pflanzen nehmen sich davon 500 Millimeter raus, es bleiben 1.000 Millimeter übrig für das Grundwasser. Kommen in einem Jahr nur 900 Millimeter im Grundwasser an, merkt man das gar nicht. In Brandenburg reagiert das Grundwasser dagegen sehr viel sensitiver auf trockene Jahre. Haben wir hier in einem Jahr 100 Millimeter weniger, ist überhaupt keine Grundwasserneubildung passiert. Kommt dann kommt noch ein zweites trockenes Jahr hinzu, gehen die Grundwasserspiegel ziemlich schnell runter.

»Es fängt erst dann an, weh zu tun, wenn die ersten Badegewässer trockenfallen«

Was wünschen Sie sich von der Politik in Bezug auf die Wasserproblematik?

Dass sie das Problem an der Wurzel packt, und das ist der Klimawandel. Wenn wir das nicht in den Griff kriegen, doktern wir nur an den Symptomen herum. Auch beim Grundwasser sehen wir schon in vielen Regionen die sinkenden Wasserspiegel, auch dort, wo wir wissen, dass die sich so schnell nicht erholen könnten. Selbst, wenn man jetzt sofort umstellen und sich das Klima von heute auf morgen ändern würde, was natürlich nicht passiert, würde das Grundwasser wahrscheinlich ein paar Jahrzehnte brauchen, um sich auf das alte Niveau einzustellen. Nur: Die Grundwasserproblematik fällt den wenigsten auf, obwohl die Pegel in großen Teilen des Landes schon seit 40 Jahren sinken. Es fängt erst dann an, weh zu tun, wenn die ersten Badegewässer trockenfallen, wenn die Feuchtgebiete trockenfallen.

Wie nahe sind wir diesem Szenario Ihrer Meinung nach?

Viele Sölle, also Gewässer, sind ja schon trockengefallen. Dann gibt es Seen in Brandenburg, die aus Sicht der Wasserwirtschaft ungünstig liegen, wie der Straussee, der Seddiner See oder der Großglienicker See, wo die Stege jetzt auf dem Trockenen stehen. Es ist zwar noch Wasser da, aber da die Seen relativ flach sind, sieht man, dass der Uferstreifen sehr schnell sehr breit wird. Und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis man da trockenen Fußes durchlaufen kann.

Wird das in den nächsten paar Jahrzehnten passieren, werden wir es selbst noch sehen?

Jahrzehnte sind schon sehr optimistisch. Ich denke, in zehn Jahren wird sich schon manches drastisch verändert haben.

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