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Im Epilog verkehren wir den Schwerpunkt »Mensch & Natur« in sein Gegenteil. Weitere Epiloge finden Sie hier.

Sie sind, neben der Sprache, eines unserer wichtigsten Werkzeuge: unsere Hände. Bei kaum einem anderen Lebewesen sind ihre Bewegungen so feingliedrig und hochangepasst. Greifen wir nach einem Gegenstand, laufen in unserem Gehirn unzählige komplexe Prozesse ab. Doch ein Schlaganfall oder eine Querschnittslähmung nach einem Unfall können sie unterbrechen. Die zuständigen Areale oder Verbindungen fallen aus, sodass die Signalübertragung zwischen Hirn und Hand nicht mehr funktioniert.

In der Neuroprothetik erforschen wir, wie sich solche Fehlfunktionen durch sogenannte Gehirn-Maschine-Schnittstellen überbrücken lassen. Die Forschung an Tieren ist für uns dabei unerlässlich. In unseren Experimenten bringen wir Rhesusaffen bei, eine Vielzahl von Objekten unterschiedlicher Form und Größe zu greifen. Mithilfe winziger, in die Hirnrinde eingepflanzter Elektroden zeichnen wir dabei die Aktivität einiger ihrer Nervenzellen auf. Die Signale helfen uns zu verstehen, wie das Gehirn Bewegungsabläufe plant und steuert. Die dekodierten Grifftypen können wir dann auf eine künstlich gebaute Roboterhand oder eine Computersimulation übertragen.

Das ist keine Science Fiction, wie wir sie aus den Star Wars-Filmen kennen. Die ersten Handprothesen gab es bereits im 16. Jahrhundert. Denken wir nur an Götz von Berlichingen, der als Ritter mit der Eisernen Hand in die Geschichte einging. Einige Jahrhunderte später konstruierte der Chirurg Ferdinand Sauberbruch den Sauberbruch-Arm. Diese Holzprothese für Versehrte des Ersten Weltkriegs ließ sich durch einen einfachen Seilzugmechanismus sogar öffnen und schließen. In den 1960er Jahren kamen dann die ersten elektrischen Prothesen auf den Markt, die Signale aus der noch vorhandenen Muskulatur abgreifen konnten. In den vergangenen 20 Jahren hat die Forschung weitere Fortschritte erzielt. Doch reif für die breite klinische Anwendung sind Neuroprothesen leider noch nicht.

Das liegt vor allem an der begrenzten Haltbarkeit der Elektroden. Erkennt das Gehirn sie als Fremdkörper, bildet es eine Gewebekapsel um sie, die das Auslesen der Signale erschwert. Hinzu kommt die hohe Infektionsgefahr durch Implantate, bei denen Kabel durch die Haut nach außen führen. Biokompatiblere Materialien und Funkübertragung könnten diese Probleme lösen.

Doch nicht nur medizinische Aspekte spielen bei der Entwicklung von Neuroprothesen eine Rolle. Wir müssen auch über ethische Fragen nachdenken: Wie können wir Hirnimplantate vor „Hackerangriffen“ und Manipulation von außen schützen? Und wer haftet, wenn das System Fehler macht?

Technik hat auf vielfältige Weise zu unserer kulturellen Evolution beigetragen. In Zukunft wird es nicht mehr darum gehen, ob wir mit ihr zusammenarbeiten wollen – sondern wie. Ich wünsche mir, dass wir dabei unsere Menschlichkeit nicht verlieren.

HANSJÖRG SCHERBERGER leitet die Abteilung Neurobiologie am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen.

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