Die Leibniz-Gemeinschaft wird 30 Jahre alt, doch zum Jubiläum blicken wir nicht zurück, sondern befragen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ganz am Anfang ihrer Karriere stehen. Was für ein Lebensgefühl haben sie, welche Erfahrungen machen sie als junge Forschende – und wie könnten ihre Erkenntnisse die Welt in 30 Jahren ein Stück verbessert haben? In Folge 4 antwortet Coline Bichlmaier. Sie promoviert am Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München im Bereich Lebensmittelchemie.
LEIBNIZ Frau Bichlmaier, wie würden Sie Ihr Forschungsthema jemandem auf einer Party erklären?
COLINE BICHLMAIER Stell dir vor, du trinkst einen Kaffee und fragst dich, warum der so bitter schmeckt? Genau das versuche ich herauszufinden! Ich untersuche, welche Stoffe den Kaffee bitter machen und welche interessanten Wirkungen diese Bitterstoffe auf unseren Körper haben könnten.
Und was würden Sie zu einem Kollegen oder einer Kollegin sagen?
Ich isoliere und identifiziere bittere Röstprodukte, sogenannte Diterpenglykoside, in Arabica-Kaffee. Diese Bitterstoffe aktivieren humane Bitterrezeptoren mit einer potenteren Wirkung als Koffein, dabei variiert die Geschmackswahrnehmung individuell, da sie genetisch bedingt ist. Ein weiterer Teil unserer Forschung untersucht, welche anderen Funktionen Bitterstoffe im Körper haben können.
Was war der schönste Moment in Ihrem bisherigen Leben als Forscherin?
Es gab viele schöne Momente, aber besonders prägend war meine erste eigene Publikation – mein Einstieg in die Öffentlichkeit der Wissenschaft. Die erste Pressemitteilung dazu hat mir gezeigt, dass unsere Forschung durchaus auch Menschen außerhalb des Labors interessieren könnte.
Wie könnte Ihre Forschung die Welt in 30 Jahren ein Stückchen verbessert haben? (Sie dürfen träumen.)
Kaffee wird weiterhin ein festes Ritual im Alltag sein und durch unsere Forschung vielleicht sogar für viele noch besser schmecken. Darüber hinaus hoffe ich, dass wir zusätzliche gesundheitsfördernde Effekte entdecken, die den Kaffeegenuss noch wertvoller machen.
In welcher Epoche wären Sie gerne Wissenschaftlerin gewesen? Oder ist heute die beste Zeit?
Ich mag die heutige Zeit sehr. In früheren Epochen hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt, als Frau in meinem Alter ein Studium und eine Promotion zu verfolgen. Die moderne Wissenschaftskommunikation schätze ich besonders, da sie uns ermöglicht, Forschung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
»Ein Leben für die Wissenschaft« – könnte dies einst der Untertitel für Ihre Biografie sein? Wenn nicht: Welchen Untertitel fänden Sie passend?
Vielleicht nicht ganz. Ich bin ein großer Kaffee-Fan und könnte mir eher einen Titel wie »Zwischen Wissenschaft und Kaffee«vorstellen. Für mich ist Wissenschaft ein großer Teil meines Lebens, aber ich lebe auch für viele andere Dinge.


Wenn Sie sich mit Menschen Ihres Alters treffen, die nicht in der Wissenschaft arbeiten: Was ist der größte Unterschied zwischen Ihnen?
Der Kontostand. Viele meiner Freunde haben direkt nach der Schule angefangen zu arbeiten, während ich durch das Studium und die Promotion gegangen bin. Aber es hat sich absolut gelohnt!
Wenn Sie sich mit älteren Forschenden Ihrer Disziplin treffen: Was ist der größte Unterschied zwischen Ihnen?
Die grauen Haare. Aber die kommen vor allem vom langen Grübeln – das praktizieren sie schon viel länger als ich.
Welche Eigenschaft halten Sie für die wichtigste, um Karriere in der Wissenschaft zu machen?
Da würde ich gern gleich vier nennen: Motivation, Disziplin, Vernunft und Ehrlichkeit – sowohl anderen, als auch sich selbst gegenüber.
Wie werden Sie als Wissenschaftlerin in der Gesellschaft wahrgenommen?
Ich bin mir gar nicht so sicher, wie ich wahrgenommen werde.
Und wie würden Sie gerne wahrgenommen werden?
Als kompetente, motivierte und aufstrebende Wissenschaftlerin.
Bitte ergänzen Sie die folgenden Sätze. Sie können realistische Wünsche äußern oder Ihre Fantasie spielen lassen. Satz Nummer 1: Meine Arbeit wäre so viel einfacher, wenn …
… die analytischen Geräte nie ausfallen würden.
Davon hätte ich gern mehr:
Kaffee!
Wenn ich etwas sofort abstellen könnte, wäre es …
… das Impostor-Syndrom.
Jede/r sollte wissen, dass…
… ich nicht nur im Labor stehe, sondern auch gerne Zeit in der Natur verbringe. Dort kann ich meine Gedanken ordnen und Platz für Neues schaffen.
Um das ein für allemal richtig zu stellen:
Chemie ≠ künstlich ≠ schlecht ≠ giftig
Was ist Ihre größte Unsicherheit, bezogen auf Ihre Karriere?
Die Vereinbarkeit von Familienplanung und Karriere.
Wie schaffen Sie es, trotzdem gelassen zu bleiben?
Wie meine Mama sagen würde: »Was sein wird, wird sein und irgendwie wird’s schon sein.«
Träumen Sie manchmal von der Arbeit? Wenn ja: Sind es angenehme Träume?
Nein, ich träume nie von der Arbeit.
Ihr liebster Arbeitsplatz?
Meine Laborbench und das mit Pflanzen befüllte Büro.
Ein Stillleben auf Ihrem Schreibtisch?

Nach dem Aufwachen: Wie fängt Ihr Tag gut an?
Mit Sport, einer erfrischenden Dusche und natürlich einer Tasse Kaffee.
Worauf freuen Sie sich an einem ganz normalen Arbeitstag?
Selbstverständlich auf die Kaffeepausen mit meinen Kolleginnen und Kollegen! Aber auch darauf, meine To-Do-Liste abzuarbeiten und auf das immer ideenreiche Brainstorming mit Roman Lang. Bei Roman habe ich bereits meine Bachelorarbeit absolviert, er war mein Arbeitsgruppenleiter und Betreuer und ist auch jetzt während meiner Promotion mein Mentor. Auf ihn ist absolut Verlass!
Worauf freuen Sie sich, wenn Ihr Arbeitstag zu Ende geht?
Auf einen Spaziergang oder einen Besuch im Stall. Und darauf, den Tag bei einem entspannten Abendessen mit meinem Mann ausklingen zu lassen.
Ein hilfreicher Snack für zwischendurch?
Proteinriegel, Grießbrei oder Apfelchips.
Eine kleine Flucht aus dem (Arbeits)Alltag, die Ihnen hilft, schnell wieder aufzutanken?
Da flüchte ich gerne in den Pferdestall, um Zeit mit den Vierbeinern zu verbringen – das klappt immer! Ich kümmere mich dort vor allem um die Freibergerstute Ondra, mit der ich reite und Kurse belege. Aber auch den Stallkatzen schenke ich ganz viel Zuneigung.


Was hilft Ihnen, Ideen zu finden?
Der Austausch mit meinem Betreuer. Gut funktioniert für mich auch, meine Gedanken laut auszusprechen. Und Zeit in der Natur hilft immer!
Was hilft Ihnen, Ihren Fokus zu behalten?
Struktur und ein Wochenplan mit priorisierter To-Do-Liste. Und: mir Zeit für Pausen zu nehmen.
In welchen Momenten vergessen Sie während der Arbeit alles andere um sich herum?
Bei der Datenauswertung und beim Schreiben von Publikationen. Da setzte ich meine Kopfhörer auf und bin in meiner eigenen Welt.
COLINE BICHLMAIER, 26, promoviert am Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München. Sie ist Teil der Sektion »Chemie Sensorischer Systeme«. Derzeit erforscht sie Bitterstoffe in Rohkaffeebohnen und den Pyrolyseprodukten, die beim Röstprozess des Kaffees entstehen. Dabei geht es darum, die sensorischen und gesundheitlichen Effekte von Geruchs- und Geschmacksstoffen besser zu verstehen.