Die Leibniz-Gemeinschaft wird 30 Jahre alt, doch zum Jubiläum blicken wir nicht zurück, sondern befragen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ganz am Anfang ihrer Karriere stehen. Was für ein Lebensgefühl haben sie, welche Erfahrungen machen sie als junge Forschende – und wie könnten ihre Erkenntnisse die Welt in 30 Jahren ein Stück verbessert haben? In Folge 5 antwortet Dennis Psaroudakis. Er promoviert am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung im Bereich »Molekularbiologie und Bioinformatik«.
LEIBNIZ Herr Psaroudakis,wie würden Sie Ihr Forschungsthema jemandem auf einer Party erklären?
DENNIS PSAROUDAKIS Stell‘ dir vor, es ist Klimawandel, und niemand geht hin. Ach nee, stopp: Stell‘ dir vor, es ist Klimawandel, und wir haben nichts mehr zu essen, weil die Pflanzen in unserem Garten und auf dem Feld mit der krassen Hitze und Trockenheit nicht klarkommen! Damit das nicht passiert, müssen wir erstens den Klimawandel bekämpfen, aber zweitens auch unsere Nutzpflanzen resistenter machen. Dafür erforsche ich, wie Pflanzen auf Hitze und Trockenheit reagieren und welche Gene, Stoffwechselwege und physiologischen Veränderungen dabei eine Rolle spielen und der Pflanze helfen könnten, auch in Zukunft (einigermaßen) glücklich und produktiv zu sein.
Und was würden Sie zu einem Kollegen oder einer Kollegin sagen?
Ich forsche an abiotischer Stressreaktion von Nutzpflanzen mithilfe von Multi-omics-Methoden und einem Fokus auf FAIR Research Data Management.
Was war bisher der schönste Moment in Ihrem bisherigen Leben als Forscher?
Puh, vielleicht, als mein erstes Paper nach einer Desk Rejection und zwei (sehr netten) Reviews endlich zur Publikation angenommen wurde? Generell ist mein Lieblingsaspekt des Forscherlebens, dass man sehr viel rumkommt. Ich war schon auf Konferenzen in Japan, Kenia, den USA und fast allen Ländern Europas – da trifft man immer wieder sehr interessante Menschen.

Wie könnte Ihre Forschung die Welt in 30 Jahren ein Stückchen verbessert haben? (Sie dürfen träumen.)
Wir haben so ein gutes Verständnis von den Prozessen in der Pflanze, dass wir sie rasend schnell per Züchtung oder mithilfe von Behandlungen an schnell wechselnde Umweltbedingungen anpassen können. Zum Beispiel kann man Pflanzen gegen Stress primen, ein bisschen wie eine Impfung. Das müssen wir aber gar nicht, weil wir den Klimawandel deutlich verlangsamt haben und auch ohnehin keine Tiere mehr essen, weshalb wir viel extensiver landwirtschaften können. Dafür nutzen wir das neu gewonnene Wissen, um auch im Raumschiff und auf anderen Planeten Nahrungs- und Heilpflanzen anzubauen. ;-)
In welcher Epoche wären Sie gerne Wissenschaftler gewesen? Oder ist heute die beste Zeit?
Manchmal fühlt es sich so an, als wären die wirklich wichtigen Durchbrüche alle schon gemacht, und jetzt sind nur noch die komplizierten Details zum Herausfinden übrig. Aber andererseits sind die Bedingungen für Forschung heute wahrscheinlich besser als zu 99 Prozent der Menschheitsgeschichte (man wird bezahlt, es gibt das Internet, …).
Wenn Sie sich mit Menschen Ihres Alters treffen, die nicht in der Wissenschaft arbeiten: Was ist der größte Unterschied zwischen Ihnen?
Man merkt schon, dass der sogenannte scientific rigor irgendwann in Fleisch und Blut übergeht: Also dass man als Wissenschaftler sehr genau darauf achtet, was man wirklich weiß (und auf welcher Basis), und was zwar plausibel klingt, aber erstmal nur eine Vermutung ist. Die Kultur, ohne Vorbehalte oder Hemmungen über Ideen zu streiten, ohne dass man sich deshalb weniger mag oder es persönlich nimmt, gefällt mir auch sehr gut. Ansonsten gibt es aber auch einfach viele Unterschiede in der Lebenssituation. Wissenschaft heißt ja meist: kurze Arbeitsverträge, häufige Wohnortwechsel und weniger Gehalt als in der Wirtschaft; Themen wie Familienplanung oder Hausbau sind da bei Nicht-Wissenschaftlern oft früher dran.
Wenn Sie sich mit älteren Forschenden Ihrer Disziplin treffen: Was ist der größte Unterschied zwischen Ihnen?
Das ist wahrscheinlich survivorship bias, aber die meisten älteren Kollegen scheinen ihr Leben wirklich hauptsächlich der Wissenschaft und ihrem Forschungsthema zu widmen. Und sonst so die typischen Altersunterschieds-Unterschiede: mehr fachliche Kompetenz, eine weitere Perspektive, manchmal ein bisschen unflexibel.
Welche Eigenschaft halten Sie für die wichtigste, um Karriere in der Wissenschaft zu machen?
Naja, erstmal natürlich eine gute Portion Neugier beziehungsweise intrinsische Motivation, sich in seine Forschungsthemen einzufuchsen. Dann aber auf jeden Fall auch gute Organisationsfähigkeiten und die Disziplin oder das Selbstbewusstsein, nein zu sagen – sonst fängt man tausend Dinge an und macht nichts fertig. Zum Karrieremachen braucht man wahrscheinlich auch noch die Fähigkeit zu erkennen, was sich gut publizieren lässt (und wie). Und natürlich ein gutes Netzwerk.
Wie werden Sie als Wissenschaftler in der Gesellschaft wahrgenommen?
Ich glaube, ich werde oft überschätzt.
Und wie würden Sie gerne wahrgenommen werden?
Hmmm, das hängt natürlich sehr vom Kontext ab. Generell würde ich mir manchmal wünschen, dass Wissenschaft weniger für politische oder persönliche Zwecke instrumentalisiert wird, sondern es ganz klar nur um die Wahrheit geht – egal, wem die nützt.
Ein Stillleben auf Ihrem Schreibtisch?

Was ist Ihre größte Unsicherheit, bezogen auf Ihre Karriere?
Was ich wirklich will so im Leben oder konkret: ob die akademische Laufbahn das Richtige für mich ist.
Träumen Sie manchmal von der Arbeit? Wenn ja: Sind es angenehme Träume?
Das erinnert mich an den Witz: »What is your dream job?« »Why would I dream of labor?!«
Ihr liebster Arbeitsplatz?
Wahrscheinlich sogar im Zug. Oder im Publikum auf Konferenzen bei einem langweiligen Vortrag. Ich mag diesen white noise um mich herum, und etwas anderes machen als arbeiten kann man in der Situation ja auch nicht.
Nach dem Aufwachen: Wie fängt Ihr Tag gut an?
Wenn ich es schaffe, dem Mantra des Autors Tim Ferris zu folgen: »Make before you manage.«
Worauf freuen Sie sich an einem ganz normalen Arbeitstag?
Natürlich auf die Menschen!
Worauf freuen Sie sich, wenn Ihr Arbeitstag zu Ende geht?
Natürlich auch auf die (jetzt ganz anderen) Menschen!
Bitte ergänzen Sie die folgenden Sätze. Sie können realistische Wünsche äußern oder Ihre Fantasie spielen lassen. Satz Nummer 1: Meine Arbeit wäre so viel einfacher, wenn …
… Biologie nicht so endlos komplex wäre.
Davon hätte ich gern mehr:
Geld.
Wenn ich etwas sofort abstellen könnte, wäre das…
… das Altern.
Jede/r sollte wissen, dass…
… Gentechnik in Pflanzen zwar zurecht ein umstrittenes Thema ist (vor allem, wie sie in der Vergangenheit von großen Firmen eingesetzt wurde), wir aber bei steigendem Fleischkonsum und Klimawandel vielleicht keine Alternative haben werden.
Um das ein für allemal richtig zu stellen:
Vim can be an IDE! (Aber ich bin jetzt auch bei VSCode gelandet)
»Ein Leben für die Wissenschaft« – könnte dies einst der Untertitel für Ihre Biografie sein? Wenn nicht: Welchen Untertitel fänden Sie passend?
Die KI Perplexity hat mir den hier vorgeschlagen, finde ich eigentlich nicht schlecht: »Neugierig auf alles – unterwegs zwischen Labor und Leben«. Auf jeden Fall ist ein Leben nur für die Wissenschaft mir nicht genug.
Eine kleine Flucht aus dem (Arbeits)Alltag, die Ihnen hilft, schnell wieder aufzutanken?
Bei mir um die Ecke gibt es einen recht großen Park, wo man sehr gut mit etwas Musik oder einem Podcast spazieren gehen kann. Und an meinem (Pflanzenforschungs-)Institut ist es draußen natürlich noch schöner. Wir haben zum Beispiel einen sehr schicken botanischen Garten.

Was hilft Ihnen, Ideen zu finden?
Am besten klappt das bei mir im Gespräch mit anderen; so alleine vor dem weißen Blatt Papier sprudeln leider meistens keine bahnbrechenden neuen Ansätze aus mir raus.
Was hilft Ihnen, Ihren Fokus zu behalten?
Ich bin ein großer Fan von Systemen und benutze im Moment vor allem die Selbstmanagement-Methode Getting Things Done, kurz GTD. Ihr Erfinder David Allen war auch mal eine Zeitlang mein Mentor.
Wie schaffen Sie es, gelassen zu bleiben?
Ich bin nebenbei selbständig als (Bio-)Informatiker und Software-Entwickler mit unverschämt hohem Stundenlohn und habe mir dadurch den Beweis geliefert, dass ich auch außerhalb der Wissenschaft gut überleben könnte.
In welchen Momenten vergessen Sie während der Arbeit alles andere um sich herum?
E-Mails zu, Handy stumm, Kopfhörer auf und programmieren – da komme ich sehr schnell und zuverlässig in einen Flow.
Ein hilfreicher Snack für zwischendurch?

DENNIS PSAROUDAKIS, 31, beendet gerade seine Promotion im Bereich »Molekularbiologie und Bioinformatik« in der AG Netzwerkanalyse und Modellierung am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben in Kollaboration mit der Universität Bielefeld. Als nächstes startet er als Data Steward für das SNP2Prot-Projekt, wo neben dem IPK noch ein weiteres Leibniz-Institut mitwirkt (das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB). Wer mehr über Dennis‘ Forschung erfahren will: In der ARD-Mediathek gibt es eine schöne Dokumentation.