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Die Leibniz-Gemeinschaft wird 30 Jahre alt, doch zum Jubiläum blicken wir nicht zurück, sondern befragen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ganz am Anfang ihrer Karriere stehen. Was für ein Lebensgefühl haben sie, welche Erfahrungen machen sie als junge Forschende – und wie könnten ihre Erkenntnisse die Welt in 30 Jahren ein Stück verbessert haben? In Folge 21 antwortet Matthias Zerban. Er promoviert am Leibniz-Institut für Resilienzforschung im Bereich Emotionen.

Weitere Beiträge aus der Rubrik 30 um die 30 gibt es hier.

Ihr Forschungsthema, auf einer Party erklärt?

Ich versuche herauszufinden, welche Art mit den eigenen Emotionen umzugehen, uns hilft, auf lange Sicht gut mit psychischen Belastungen klar zu kommen. 

Und was würden Sie zu einem Kollegen oder einer Kollegin sagen?

Ich erforsche, wie Emotionsregulation mit Resilienz zusammenhängt. Resilienz definieren wir als Ergebnis langfristiger psychischer Gesundheit trotz erlebter Belastungen. Insbesondere untersuche ich, ob es bestimmte Bewältigungsstrategien gibt – etwa die der positiven Neubewertung, »Positive Reappraisal« genannt, die besonders gut funktionieren, oder ob es wichtiger ist, über Situationen hinweg unterschiedliche Strategien flexibel einzusetzen.

Was war bisher der schönste (oder wichtigste) Moment in Ihrem Leben als Forscher?

Der Besuch der American Psychological Association Convention in Chicago. Es war ein tolles Gefühl, so viel interessante Forschung auf einem Fleck zu sehen und ein klitzekleines bisschen dazu beizutragen.

Wie könnte Ihre Forschung die Welt in 30 Jahren ein Stückchen verbessert haben? (Sie dürfen träumen.)

Meine Forschung und die meiner Kolleg*innen könnte dazu beitragen, dass die Gesellschaft widerstandsfähiger wird. Wenn wir verstehen, was Menschen gesund durch Krisen kommen lässt, können wir gezielte Interventionen entwickeln, um diese Eigenschaften zu stärken. Damit könnte unsere Forschung langfristig einen wichtigen Beitrag zur Vorbeugung psychischer Erkrankungen leisten.

In welcher Epoche wären Sie gerne Wissenschaftler gewesen? Oder ist heute die beste Zeit?

Ach, mir gefällt die heutige Zeit eigentlich ganz gut. Gerade im Fach Psychologie musste man früher sicher deutlich mehr Bücher wälzen und einsam am Schreibtisch sitzen. Ich bin froh, dass mein PhD in einem größeren Konsortium mit viel Teamwork und Austausch verbunden ist.

Nicht alle Sachverhalte, ob wissenschaftlich oder politisch, können auf Instagram und TikTok innerhalb von 30 Sekunden erklärt werden. 

MATTHIAS ZERBAN

»Ein Leben für die Wissenschaft« – könnte dies einst der Untertitel für Ihre Biografie sein? Wenn nicht: Welchen Untertitel fänden Sie passend?

Hm, ich befürchte, es gibt zu viele Dinge, die mich interessieren. Das lässt sich nicht so einfach auf einen Nenner bringen. Manchmal fühlt es sich so an, als wäre „Ein Leben im Chaos“ ein ganz treffender Untertitel.

Wenn Sie sich mit Menschen Ihres Alters treffen, die nicht in der Wissenschaft arbeiten: Was ist der größte Unterschied zwischen Ihnen?

Die meisten wissen besser, wann ihr Feierabend anfängt ;)

Wenn Sie sich mit älteren Forschenden Ihrer Disziplin treffen: Was ist der größte Unterschied zwischen Ihnen?

Sie haben für gewöhnlich das große Ganze besser im Blick. Ich glaube, gerade während des PhDs fokussiert man sich oft auf wenige Mechanismen und schaut diese ganz genau an. Gespräche mit erfahreneren Forschenden helfen mir, nicht zu vergessen, warum es überhaupt relevant ist, da so genau hinzuschauen. Außerdem haben sie aufgrund ihrer Erfahrung ein tieferes konzeptuelles Verständnis und eine bessere Intuition.

Welche Eigenschaft halten Sie für die wichtigste, um Karriere in der Wissenschaft zu machen?

So sehr es auch darauf ankommen mag, die Zähne zusammen zu beißen und diszipliniert arbeiten zu können – am Ende zählt die Begeisterung. Man muss davon überzeugt sein, dass die eigene Forschung die Welt zu einem besseren Ort machen kann.

Wie werden Sie als Wissenschaftler in der Gesellschaft wahrgenommen?

Meine persönliche Erfahrung war bisher eigentlich immer, dass Menschen sehr interessiert sind und sich freuen, wenn sie die Möglichkeit haben, mit mir über meine Forschung zu reden. Manchmal habe ich aber den Eindruck, dass viele glauben, dass Wissenschaft so abstrakt und kompliziert ist, dass man sie als Außenstehende*r eh nicht verstehen kann. Falls das stimmt, dann haben wir in der Wissenschaft etwas falsch gemacht, finde ich. Es sollte unsere Aufgabe sein, unsere Ergebnisse auch fachfremden Menschen verständlich darzubieten.

Und wie würden Sie gerne wahrgenommen werden?

Als zugewandt und offen – einfach als ganz normaler Mensch.

Um das ein für allemal richtig zu stellen: Psycholog*innen können keine Gedanken lesen.

Bitte ergänzen Sie die folgenden Sätze. Sie können realistische Wünsche äußern oder Ihre Fantasie spielen lassen. Satz Nummer 1: Meine Arbeit wäre so viel einfacher, wenn …

… alle wissenschaftlichen Publikationen open access veröffentlicht würden.

Davon hätte ich gern mehr:

Zeit.

Wenn ich etwas sofort abstellen könnte, wäre das …

… der globale Rechtsruck.

Jede/r sollte wissen, dass …

… nicht alle Sachverhalte, ob wissenschaftlich oder politisch, auf Instagram und TikTok innerhalb von 30 Sekunden erklärt werden können. 

Um das ein für allemal richtig zu stellen:

Psycholog*innen können keine Gedanken lesen.

Was ist Ihre größte Unsicherheit, bezogen auf Ihre Karriere?

Das Wissenschaftssystem ist leider sehr darauf ausgelegt, sich mit anderen zu vergleichen. Mir fallen ständig Dinge auf, bei denen andere die Nase vorn haben.

Wie schaffen Sie es, trotzdem gelassen zu bleiben?

Mir hilft es, mit Kolleg*innen darüber zu sprechen und zu merken, dass es allen sehr ähnlich geht.

Träumen Sie manchmal von der Arbeit? Wenn ja: Sind es angenehme Träume?

Ich glaube nicht, ich kann mich zumindest nicht daran erinnern.

Ihr liebster Arbeitsplatz?

Ich arbeite sehr gerne im Homeoffice. Dort habe ich Ruhe und kann mich am besten konzentrieren.

Ein Stillleben auf Ihrem Schreibtisch?

Nach dem Aufwachen: Wie fängt Ihr Tag gut an?

Erstmal Kaffee und dann in Ruhe überlegen, was heute ansteht.

Worauf freuen Sie sich an einem ganz normalen Arbeitstag?

Auf ein gutes Mittagessen.

Worauf freuen Sie sich, wenn Ihr Arbeitstag zu Ende geht?

Meine Arbeit findet aktuell hauptsächlich am Computer statt, deshalb freue ich mich auf Bewegung und frische Luft nach der Arbeit.

Ein hilfreicher Snack für zwischendurch?

Gilt Kaffee als Snack?

Beim Coden meiner Analysen vergesse ich manchmal das Essen.

Eine kleine Flucht aus dem (Arbeits)Alltag, die Ihnen hilft, schnell wieder aufzutanken?

Ein Mittagsschläfchen kann manchmal Wunder bewirken.

Was hilft Ihnen, Ideen zu finden?

Der Austausch mit meinen Kolleg*innen.

Was hilft Ihnen, Ihren Fokus zu behalten?

Regelmäßige Pausen, in denen ich für ein paar Minuten an die frische Luft gehe.

In welchen Momenten vergessen Sie während der Arbeit alles andere um sich herum?

Vor allem beim Coden meiner statistischen Analysen. Da bin ich manchmal so im Tunnel, dass ich sogar vergesse zu essen.

MATTHIAS ZERBAN, 34, hat Psychologie studiert und promoviert am Leibniz-Institut für Resilienzforschung. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe „Kalisch“, die zum Bereich »Systemische Mechanismen der Resilienz« gehört.

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