Die Leibniz-Gemeinschaft wird 30 Jahre alt, doch zum Jubiläum blicken wir nicht zurück, sondern befragen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ganz am Anfang ihrer Karriere stehen. Was für ein Lebensgefühl haben sie, welche Erfahrungen machen sie als junge Forschende – und wie könnten ihre Erkenntnisse die Welt in 30 Jahren ein Stück verbessert haben? In Folge 8 antwortet Richard Sannert. Er promoviert am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik im Bereich Didaktik der Biologie
.
LEIBNIZ Herr Sannert, wie würden Sie Ihr Forschungsthema jemandem auf einer Party erklären?
RICHARD SANNERT Mit meiner Forschung unterstütze ich Lehrkräfte dabei, ihren naturwissenschaftlichen Unterricht weiterzuentwickeln, damit Schüler:innen lernen können, was sie für ihre Zukunft brauchen. Zum Beispiel benötigen sie ein Verständnis davon, wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse entstehen – und wie sie Desinformation erkennen können.
Und was würden Sie zu einem Kollegen oder einer Kollegin sagen?
Ich untersuche die Gestaltung und Effektivität von Lehrkräftefortbildungen zur Förderung von Erkenntnisgewinnungskompetenzen im naturwissenschaftlichen Unterricht.
Was war der schönste (oder wichtigste) Moment in Ihrem bisherigen Leben als Forscher?
Eine der schönsten Erfahrungen war mein Forschungsaufenthalt in Kalifornien an der Stanford University. Dort habe ich viele spannende Menschen kennengelernt und es war toll, für eine längere Zeit den Fokus nur auf die Forschung legen zu können.

Wie könnte Ihre Forschung die Welt in 30 Jahren ein Stückchen verbessert haben? (Sie dürfen träumen.)
Im Idealfall hat meine Forschung dann dazu beigetragen, dass Lehrkräfte mehr Zeit bekommen, um ihren Unterricht weiterzuentwickeln und sich gegenseitig mehr zu unterstützen. Die Schüler:innen lernen mehr über naturwissenschaftliche Forschung und Fake News haben in der Politik keine Chance mehr.
In welcher Epoche wären Sie gerne Wissenschaftler gewesen? Oder ist heute die beste Zeit?
Ich hätte gerne einmal als Schüler von Leonardo da Vinci erlebt, wie Wissenschaft im 15. und 16. Jahrhundert aussah, als sich nur wenige Universalgelehrte mit wissenschaftlichen Fragen beschäftigen konnten.
Ein Leben für die Wissenschaft
– könnte dies einst der Untertitel für Ihre Biografie sein? Wenn nicht: Welchen Untertitel fänden Sie passend?
Es geht mir nicht um die Wissenschaft an sich, sondern darum, durch Wissenschaft etwas für die Gesellschaft zu leisten. Daher schlage ich vor: Ein Leben als Wissenschaftler – für die Gesellschaft
.
Wenn Sie sich mit Menschen Ihres Alters treffen, die nicht in der Wissenschaft arbeiten: Was ist der größte Unterschied zwischen Ihnen?
Oft habe ich das Gefühl, dass ich als Wissenschaftler mehr Zeit mit der Arbeit verbringe und auch in der Freizeit viel über berufliche Themen nachdenke. Gleichzeitig ist meine Freude an der Arbeit aber auch sehr groß.
Wenn Sie sich mit älteren Forschenden Ihrer Disziplin treffen: Was ist der größte Unterschied zwischen Ihnen?
Die Erfahrung und Gelassenheit mancher älterer Kolleg:innen beeindrucken mich sehr. Manchmal fällt es mir schwer, mich zwischen gleichwertig erscheinenden Alternativen zu entscheiden. Beispielsweise bei der Entscheidung für eine Storyline in einer Publikation oder der Auswahl einer passenden Darstellung von Ergebnissen hilft mir die Erfahrung älterer Kolleg:innen, weil sie schon viele Studien gelesen und selbst erfolgreich veröffentlicht haben.
Welche Eigenschaft halten Sie für die wichtigste, um Karriere in der Wissenschaft zu machen?
Neugier und Leidenschaft!
Wie werden Sie als Wissenschaftler in der Gesellschaft wahrgenommen?
Einige Menschen glauben, dass ich immer noch studiere. Andere fragen sich, warum ich immer so lange arbeite. Ich glaube, die Arbeit als Wissenschaftler:in wirkt oft sehr theoretisch und weltfremd
. Deshalb finde ich es wichtig zu erklären, welchen Nutzen meine Forschung bringen kann.
Und wie würden Sie gerne wahrgenommen werden?
Als jemand, der nicht nur innerhalb der Wissenschaftswelt Erfolg hat, sondern durch seine Forschung auch Lehrkräften beim Lehren und Schüler:innen beim Lernen wirklich weiterhilft.
Bitte ergänzen Sie die folgenden Sätze. Sie können realistische Wünsche äußern oder Ihre Fantasie spielen lassen. Satz Nummer 1: Meine Arbeit wäre so viel einfacher, wenn …
… Lehrkräfte mehr Zeit für die eigene Fortbildung hätten.
Davon hätte ich gern mehr:
Arbeitszeit und Freizeit!
Wenn ich etwas sofort abstellen könnte, wäre das …
… der menschengemachte Klimawandel und alle, die ihn leugnen.
Was ist Ihre größte Unsicherheit, bezogen auf Ihre Karriere?
Manchmal fällt es mir schwer, mit meiner Leistung zufrieden zu sein, auch wenn ich bisher meist sehr positive Rückmeldungen bekommen habe.
Wie schaffen Sie es, trotzdem gelassen zu bleiben?
Wenn ich Zweifel habe, dann spreche ich mit Personen, die mich gut kennen und die mir wichtig sind. Der Abgleich führt meistens zu der Einsicht, dass es doch ganz gut läuft.
Träumen Sie manchmal von der Arbeit? Wenn ja: Sind es angenehme Träume?
Bisher zum Glück nicht!
Ihr liebster Arbeitsplatz?
Mir macht der Wechsel aus Arbeiten im Büro und Arbeiten zu Hause oder auch mal im Zug viel Spaß. Ich habe das Gefühl, dass ich produktiver bin, wenn ich nicht immer in der gleichen Umgebung sitze.
Ein Stillleben auf Ihrem Schreibtisch?

Nach dem Aufwachen: Wie fängt Ihr Tag gut an?
Ein guter Tag fängt mit ein paar Oldies auf NDR 1 an, zu denen ich in der Küche mitsinge!
Worauf freuen Sie sich an einem ganz normalen Arbeitstag?
Eigentlich auf nichts Bestimmtes – mir macht die Arbeit insgesamt viel Spaß und mehr kann man sich wohl kaum wünschen. :-)
Worauf freuen Sie sich, wenn Ihr Arbeitstag zu Ende geht?
Mich aufs Rad zu schwingen und Zeit in der Natur zu verbringen.
Ein hilfreicher Snack für zwischendurch?
Ich snacke nicht.
Eine kleine Flucht aus dem (Arbeits)Alltag, die Ihnen hilft, schnell wieder aufzutanken?
Am liebsten bin ich in meiner Freizeit in der Natur. Manchmal fahre ich am Wochenende mit dem Fahrrad los und zelte irgendwo am Meer oder im Wald.

Was hilft Ihnen, Ideen zu finden?
Die besten Ideen kommen mir, wenn ich gerade nicht arbeite, sondern Sport treibe, der nicht so fordernd ist. Etwa laufen oder Rad fahren.

Was hilft Ihnen, Ihren Fokus zu behalten?
Ruhige Musik hilft mir, in einen Flow
zu kommen. Googelt mal nach Lofi Girl
!
In welchen Momenten vergessen Sie während der Arbeit alles andere um sich herum?
Die Datenauswertung in der Programmiersprache R macht mir großen Spaß, dabei vergesse ich alles andere. Auch wenn es mal frustrierend sein kann, ist es schön, am Ende eine tolle Grafik erstellt zu haben oder sich über ein signifikantes Ergebnis als Resultat der vorherigen harten Arbeit zu freuen.
RICHARD SANNERT, 29, promoviert am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel. In seiner Doktorarbeit beschäftigt er sich mit der Gestaltung und Effektivität von Lehrkräftefortbildungen im naturwissenschaftlichen Unterricht, insbesondere zur Förderung von Erkenntnisgewinnungskompetenzen bei Schüler:innen der Sekundarstufe.