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Die Leibniz-Gemeinschaft vereint rund 140 Forschungsinfrastrukturen. Das sind Einrichtungen und Ressourcen, die Forschung ermöglichen und unterstützen, zum Beispiel Großgeräte, Archive, Bibliotheken, Datenbanken, Forschungsdatenzentren und soziale Infrastrukturen. Einige von ihnen stellen wir hier vor. Die Auswahl ist uns nicht leichtgefallen, denn für alle Leibniz-Infrastrukturen gilt: Sie arbeiten wissenschaftlich und technisch auf dem höchsten Niveau, stehen externen Forschenden genauso offen wie Leibniz-Wissenschaftlern und sie erleichtern Forschung in der Region ebenso wie internationale Wissenschaft – langfristig und nachhaltig. Wir waren deshalb froh, dass Lisa Kressin uns bei der Auswahl geholfen hat: Sie ist in der Geschäftsstelle der Leibniz-Gemeinschaft für die Forschungsinfrastrukturen zuständig.

Wer schützt die Ostsee?

Rau ist die Brise auf der Ostsee, die Wellen schlagen gegen das Schiff. Hier draußen auf dem Meer betreibt das Leibniz-Institut für Ostseeforschung (IOW) Messungen über das Meer, sein Wasser und die Wellen, über die Veränderungen durch den Klimawandel. Elisabeth Mann Borgese, Tochter von Katia und Thomas Mann, setzte sich für den Schutz der Meere ein. Als Seerechtsexpertin, Ökologin und Botschafterin der Meere. Heute trägt das Forschungsschiff des Leibniz-Instituts in Warnemünde ihren Namen – und führt ihre Mission fort. Ursprünglich stach es 1987 als Schwedeneck für den Wehrtechnischen Dienst der Marine in See. 2011 begann mit dem Umbau zum Forschungsschiff die zweite Karriere des Schiffes. Jetzt ist es eine Forschungsinfrastruktur, die mit bis zu 14,5 Knoten durchs Wasser gleitet. Ein Multibeam-Echolot kartiert den Meeresboden, ein Thermosalinograph misst die Temperatur und den Salzgehalt des Oberflächenwassers, präzise Akustiksysteme machen die Bewegungen des Wassers sichtbar. Vom Klimawandel in der Atmosphäre bis runter zu den Bodensedimenten – die Elisabeth Mann Borgese liefert Daten, die den Zustand der Ostsee greifbar machen. Sie fließen in eine frei zugängliche Datenbank ein. Gleichzeitig ist das Schiff Teil eines größeren, internationalen Gefüges: Mit seinen Einsätzen unterstützt das IOW die Ziele der Baltic Marine Environment Protection Commission (HELCOM).

Illustration eines Forschungsschiffs.

Wer setzt sich Tropenviren aus?

Ebola, Marburg und Lassa – allein die Erwähnung dieser oft tödlichen tropischen Viren lässt vielen einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Bis zur Entwicklung von Impfstoffen ist es ein weiter Weg. In Hamburg, am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), wird genau daran geforscht. Seit 2014 verfügt das Leibniz-Institut über eine Forschungsinfrastruktur, die geradezu dystopisch daherkommt: ein Hochsicherheitslabor der höchsten Sicherheitsstufe nach dem Gentechnikgesetz (S4). Herzstück des Labors sind spezielle Sicherheitskammern mit Luftfiltersystemen und chemischen Schleusen. Hier kommen Forschende in Kontakt mit den Viren. Wer die Kammern betreten will, muss einen Ganzkörper-Schutzanzug tragen. Immerhin lagern hier rund 100 Virusstämme tropischer Viren. Die Forschenden wollen verstehen, wie die Erreger entstehen und wie man eine Infektion verhindern kann. Als Teil des European Virus Archive (EVA) ist das Leibniz-Institut weltweit vernetzt und kann die Erreger sogar sicher an andere Forschungsgruppen verschicken. Auf diese Weise tragen Labore überall auf der Welt dazu bei, das Risiko von Epidemien mit hochgefährlichen Viren zu verringern.

Illustration des Bernard-Nocht-Instituts und einem Wissenschaftler in Schutzanzug.

Wer bewahrt erste Entwürfe auf?

Wie viele Skizzen landen im Papierkorb, bevor ein Erfinder die zündende Idee für ein Patent hat? Manchmal ist es nur ein unscheinbarer Brief, ein Foto oder eine vergilbte Skizze, die nur erahnen lassen, was einmal die Welt verändern sollte. Willkommen im Archiv des Deutschen Museums für Naturwissenschaften und Technik in München! Auf 4,7 Regalkilometern werden hier Zeugnisse von Innovationen archiviert und in der Bibliothek und Sammlung aufbereitet. Die Regale sprechen nicht nur Bände. Sie sind eine Fundgrube für Erkenntnisse über Erfindungen, über ihre Entstehung und über das Leben der Menschen dahinter. Etwa Bleistiftzeichnungen, mit denen die ersten Schritte in Richtung Luftfahrt festgehalten wurden. Oder die erste Fotografie Deutschlands, die laut einer handschriftlichen Notiz auf der Rückseite im März 1837 in München aufgenommen wurde. Von den ersten Chiffriermaschinen bis zur Mikroelektronik, von seltenen Karten vergangener Orte bis zu Erfolgsgeschichten von Firmen wie Siemens: Die im Archiv lagernden Zeugnisse von der Steinzeit bis zur Gegenwart machen das Forschungsmuseum zu einer Erinnerungs- und Forschungsstätte der Technik- und Wissenschaftsgeschichte.

Illustration von Archivregalen.

Wer schaut in die Wolken?

Heidi, die in den Wolken schaukelt: ein beliebtes Bild aus der Kindheit. Doch Wolken sind bekanntlich alles andere als fest, können unmöglich eine Schaukel halten, in der Höhe eisig kalt bei minus 10 Grad, reine Fantasie also. Aber was passiert dort oben wirklich? Wie formen sich unsichtbare Teilchen zu sichtbaren Schäfchenwolken? Und wie beeinflusst die Luftverschmutzung am Boden die Wolkenbildung? Am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist man auf Spurensuche. Als Teil der europäischen Forschungsinfrastruktur ACTRIS (Aerosol, Clouds and Trace Gases Research Infrastructure) beobachten die Forschenden Aerosole, Wolken und kurzlebige Spurengase in der Luft. Diese winzigen Partikel entscheiden darüber, ob Wolken überhaupt entstehen und wie sie sich verändern. TROPOS-Messstationen gibt es an den verschiedensten Orten in Europa, von Melpitz im sächsischen Tiefland bis zum Atlantik auf der Insel São Vicente. 100 weitere Institute in 22 europäischen Ländern beteiligen sich an der ACTRIS-Forschungsinfrastruktur. Sie machen die umfangreiche Analyse der Partikel in ihre physikalischen, optischen und chemischen Eigenschaften möglich – und liefern damit Daten zur Rolle von Aerosolen im globalen Klimasystem.

Illustration des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung und Wolken, die mit einem Laser aus dem Instituts gemessen werden.

Wer befragt die Deutschen?

Wenn eine Umfrage behauptet, die Deutschen hätten eine Meinung, fragt sich der eine oder andere bestimmt: Wen meinen die eigentlich? Und wer wurde gefragt? Genau hier kommt das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ins Spiel, das auch als Leben in Deutschland-Studie bekannt ist. Seit 1984 stellen Interviewer im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufällig ausgewählten Personen die Frage: Wie geht es euch? Mehr als 30.000 Menschen geben Einblick in ihr Leben – und das Besondere: Sie tun es immer wieder. Die gleichen Familien, die gleichen Menschen. Sogar ihre Kinder rücken nach. Generation für Generation wächst die Studie und erzählt eine Geschichte über die Deutschen, wie sie wirklich leben, arbeiten, wohnen und denken – politisch, gesellschaftlich und sozial. Die Antworten werden in Daten aufbereitet, damit Forschende aus der ganzen Welt damit arbeiten können. Das SOEP zeichnet mit jeder Befragung ein neues Kapitel der deutschen Gesellschaft. Von der Erwerbstätigkeit bis zur Wohnsituation, von der politischen Einstellung bis zur Gesundheit. Immer wieder werden neue Bevölkerungsgruppen hinzugefügt: Nach dem Mauerfall ehemalige DDR-Bürger, in den vergangenen Jahren vermehrt Migrantinnen und Migranten. Kaum eine andere Befragungsstruktur ermöglicht eine derart repräsentative Abbildung der Menschen einer Gesellschaft.

Illustration von Schatten dreier Personen, die übereinander liegen, drum herum verschiedene Symbole der Befragungsmerkmale.

Wer bedient die Geräte?

Das Weltall bleibt voller Rätsel. Aber mit neuen Satelliten und besseren Teleskopen kommen wir den Antworten näher. Eines dieser Instrumente ist das Low Frequency Array (LOFAR) – das größte und empfindlichste Radioteleskop weltweit. Das Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam (AIP) ist Teil dieses gigantischen Netzwerks von Radioantennen, das sich über 52 Stationen in acht europäischen Ländern erstreckt. Um Radiowellen einzufangen, braucht es ein Teleskop, das für sehr niedrige Frequenzen empfindlich ist – zwischen 10 und 240 MHz. Sie ermöglichen den Blick in eine Zeit, als sich die ersten Strukturen des Universums vor Milliarden von Jahren gerade erst formten. Die empfangenen Radiodaten werden in einem Software-Teleskop zu Bildern zusammenfügt. LOFAR ermöglicht so die Zusammenarbeit an vielfältigen Forschungsthemen: von der Kosmologie und der Entstehung der ersten Sterne bis hin zur Erkundung unseres Sonnensystems.

Illustration der Standorte des Low Frequency Arrays (LOFAR) in Europa und darumherumliegende symbolhafte Messkurven.

Nationale Forschungsdateninfrastruktur

Wer schon mal versucht hat, einen am Mac formatierten Ordner auf einem Windows-Rechner zu öffnen, kennt es: Mögen die Daten auch noch so sauber aufbereitet sein – solange die Systeme nicht kompatibel sind, bleiben sie unerreichbar. Vor demselben Problem standen lange Zeit die deutschen Hochschulen und Forschungsinstitute – nur in groß: Unablässig produzieren sie Berge wertvoller Daten. Aber oft liegen diese in unterschiedlichen Formaten vor. Mehr noch: Ihre Datenbanken sind für Externe oft gar nicht zugänglich. Doch das ändert sich gerade: Der 2020 gegründete Verein Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) arbeitet daran, vorhandene und neue Daten nach den FAIR-Prinzipien aufzubereiten: Findable, Accessible, Interoperable, Reusable. Forschungsdaten sollen also auffindbar und zugänglich sein und in gängigen Formaten verarbeitet werden. Damit andere Forschende sie verwenden können, müssen zudem die Lizenzbedingungen klar sein. Inzwischen sind aus der NFDI Dutzende solcher Tools hervorgegangen. Leibniz-Institute sind an fast allen der 26 Fachkonsortien und am übergeordneten Verbund für Basisdienste beteiligt.

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