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Contra: Ist eine Verbrauchssteuer auf Verpackungen wirklich effektiv?

Derzeit wird auf kommunaler sowie bundespolitischer Ebene über die Einführung einer Steuer auf Verpackungen diskutiert. Ziel ist es, durch finanzielle Anreize die Menge an Verpackungsmaterialien zu reduzieren. So hat etwa die Stadt Tübingen eine Steuer auf bestimmte Einwegverpackungen wie Besteck oder Einmalgeschirr erlassen, während auf Bundesebene eine Verpackungssteuer auch außerhalb des Gastgewerbes diskutiert wird.

Es ist jedoch aus mehreren Gründen zu bezweifeln, dass dieses Instrument im Hinblick auf Umwelt- und Klimaschutz wirklich effektiv ist.

Verpackungen haben eine wichtige Funktion: Sie schützen das, was sich darin befindet und stellen seine Haltbarkeit sicher. Bestes Beispiel ist das Aluminium, das Nüsse und Chips als Dose oder Tüte umgibt. Es schützt die Produkte vor Feuchtigkeit und Wärme und macht sie so länger haltbar. Würde man andere Verpackungen verwenden, müssten die Produkte schneller aus dem Verkauf genommen werden, weil das Haltbarkeitsdatum abläuft. Weil Verpackungen häufig wichtige Funktionen für das Produkt besitzen, ist das Einsparpotenzial bei der Verpackungsmenge also deutlich geringer als man annehmen könnte.

Ähnlich verhält es sich bei Einmalgeschirr und -besteck. Das Ziel einer Steuer in diesem Bereich ist, die Menge an Einmalverpackungen zugunsten von wiederverwendbaren Alternativen zu reduzieren. Einmalgeschirr und -besteck machen aber nur einen sehr kleinen Anteil an der gesamten Verpackungsmenge aus, sodass sich eine entsprechende Steuer kaum in der gesamten Abfallmenge bemerkbar machen würde.

Auch bei sonstigen Verpackungen ist das Einsparpotenzial überschaubar. Eine Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung kommt zu dem Ergebnis, dass man maximal 30 Prozent der Verpackungsmenge reduzieren kann – unter der ambitionierten Annahme, dass in einigen Fällen leichte Einschränkungen für Verbraucher hingenommen oder höhere Kosten akzeptiert werden. Das hört sich zunächst gut an. Aber: Sogar hohe Verpackungssteuern werden die Verpackungsmenge aller Voraussicht nach deutlich weniger reduzieren, als man in Hinblick auf dieses Potenzial denken würde. Warum ist das so?

»Nur ein hoher Steuersatz würde die Verbraucher*innen zu einem Umdenken bewegen.«

MICHAEL ROTHGANG

Das Pro von Johannes Klinge finden Sie hier.

Zunächst einmal zeigen internationale Studien, dass Unternehmen Verpackungssteuern – wie andere auf eine Lenkung des Verhaltens abzielende Steuern – zum Großteil an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben. Da die Verpackungskosten aber nur einen relativ kleinen Teil der Produktkosten ausmachen, erhöht sich der Preis des Endprodukts selbst bei einem hohen Steuersatz kaum. Die Konsumentinnen und Konsumenten werden diese Preiserhöhung in der Regel gar nicht merken und entsprechend auch ihr Verhalten nicht ändern, also beispielsweise nicht deutlich mehr Unverpackt-Produkte kaufen.

Auch der ökologische Nutzen der Steuer ist fraglich. Zwar wird sie nur einmal erhoben, wodurch Mehrwegverpackungen günstiger werden. Jedoch ist das deutsche Mehrwegsystem beispielsweise bei Getränkeverpackungen zum Teil sehr ineffizient, weil es zu viele verschiedene Verpackungen gibt. Häufig können diese nur von bestimmten Produzenten wiederverwendet werden und müssen deshalb über weite Strecken zum Abfüllort transportiert werden. Auch ökologisch lohnen sich Mehrwegverpackungen daher nur bei einer hohen Zahl von Mehrwegkreisläufen je Verpackung.

Aus Sicht der Hersteller haben Verpackungen noch eine weitere wichtige Funktion: Ihr Design transportiert Botschaften, die maßgeblich über den Erfolg des Produkts entscheiden. Es dürfte für die Hersteller im Zweifelsfall wichtiger sein, welche Message die Verpackung vermittelt, als dass sie durch eine Steuer etwas teurer geworden ist.

Michael Rotgang
Foto RWI/SVEN LORENZ

MICHAEL ROTHGANG
forscht im Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ des RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen unter anderem zu ökonomischen Aspekten der Kreislaufwirtschaft.

Theoretisch könnte man erreichen, dass die Produzenten umweltschädlichere durch weniger umweltschädliche Verpackungen ersetzen, indem man die Steuer je nach Umweltschädlichkeit des Materials differenziert (also zum Beispiel recycelbare Verbundverpackungen niedriger besteuert als Einwegglas). Aber auch hier dürfte eine Verpackungsteuer nur in sehr geringem Umfang wirken. Zum einen ist die Anzahl der Produkte begrenzt, die wirklich in unterschiedlichen Verpackungen angeboten werden können. Außerdem wären europäische Regelungen nötig, denn große Hersteller bieten ihre Produkte in mehreren europäischen Ländern an. Es ist unwahrscheinlich, dass sie ihre Verpackungen wegen nationaler Gesetze anpassen.

Mein Fazit: Die genannten Aspekte zeigen, dass der Effekt durch eine Verpackungsteuer vermutlich deutlich kleiner ist, als man zunächst annehmen würde. Die Hersteller würden die Steuer großteils an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben. Sie wird deshalb aller Voraussicht nach sozial ungleich wirken. Denn anders als Konsumgüter müssen Lebensmittel häufig und von jedem gekauft werden. Weil bei fast jedem Einkauf Verpackungen anfallen, würden Haushalte mit niedrigem Einkommen steuerlich besonders stark belastet werden. Würde die Steuer nach Gewicht berechnet, bestünde darüber hinaus die Gefahr, dass die Hersteller vermehrt leichtere Verbundverpackungen aus mehreren Materialien einsetzen würden, die häufig schwer zu recyceln sind.

Daher halte ich eine Verpackungsteuer nur als ergänzende Maßnahme für sinnvoll. Andere wichtige Ansatzpunkte sind, Mehrwegsysteme effizienter zu machen und Konsumentinnen und Konsumenten besser zu informieren. Dabei ist zu beachten, dass eine solche Steuer die Verpackungsmenge nur bei einem hohen Steuersatz nennenswert reduzieren wird.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in diesem Bericht, den Michael Rothgang, Johannes Klinge und weitere Forschende für das Umweltbundesamt erstellt haben.

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